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der
Hinßuss
Religion,
bilder folgte die Anbetung der Heiligen, der Dienst der Cybele")
wurde durch den Dienst der heiligen Jungfrau ersetzt; heidnische
Cereinonien wurden in christlichen Kirchen eingerichtet; nicht nur
der Aufputz des Götzendierlstes, auch seine Dogmen kamen bald
hinzu, wurden der neuen Religion einverleibt und in ihren Geist
hineingearbeitet, bis nach wenigen Generationen das Christenthum
eine so abenteuerliche und widerwärtige Form angenommen hatte,
dass seine besten Zügc verloren und seine ursprüngliche Liebens-
würdigkeit gänzlich zerstört war?
Nach einigen Jahrhunderten arbeitete sich das Cln-istenthum
langsam aus (lieser Verderbniss heraus; manches davon haben je-
doch selbst die civilisirtesten Völker noch nicht ausstossen können? 1)
Ja es zeigte sich als unmöglich, selbst den Anfang einer Reform
zu machen, bevor der Europäische Geist einigermaassen aus seiner
Trägheit aufgeregt war. So wie die Kenntnisse der Menschen all-
inählig fortschritten, wurden ihnen jene Formen des Aberglaubens
zuwider, die sie früher bewundert hatten. Die Art und Weise,
wie dieser W iderwille zunahm, bis er im 16. Jahrhundert in jene
grossc Begebenheit ausschlug, welche mit Recht den Namen Re-
formation erhalten hat, bildet einen der interessantesten Gegen-
stände der neueren Geschichte. Aber für unsern unmittelbaren
Zweck genügt es, die denkwürdige und wichtige Thatsache fest-
zuhalten, dass Jahrhunderte naeh seiner Einführung in Europa das
Christenthum nicht seine natürliche Frucht trug, weil es unter Völker
gerieth, deren Unwissenheit sie zum Aberglauben zwang und die
95) Dies wird merkwürdiger Weise durch die Thatsache bestätigt, dass der 25. März,
Welcher jetzt Mariä Verkündigung lmisst, in hvidnischen Zeiten Hilaria hiess und
der Cybele, der Mutter der Götter, gewidmet war. Bhuzt, Trcstiges nf ancievzt nummws
51-55; Hampson, Media" aavi calendarium I, 56, 17T.
2") Ueber diesen interessanten Gegenstand sind die beiden besten englischen Bücher
Jiliddletovfs Leiters jhmz Rome und Priesllegfs Ifisfory of tlze cowuptions of Christianiiy.
Das erste ist besonders werthvioii für die Entartung des Cultus, das andere für die
der Dogmen. BZuoitÄs Tesliges of ancient mannßrs ist auch lesenswerth, aber weit
untergeordneter und in einem viel besehränkteren Geiste geschrieben.
97) Die Masse Heidenthum, die noch in allen christlichen Secten existirt, beweist
gegen die Unterscheidung, die Bnnsen macht zwischen der Veränderung einer Religion
und der einer Sprache, indem er annimmt, Religionsveränderungen seien immer mehr
plötzlicher Natur als die einer Sprache. Bmisevfs Aegypteaz I, 358, 359.