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Einfluss
der
Religion,
Eroberungen; die neuen Religionen, Gesetze und Sitten, die es ge-
waltsam einführt, alles das sind Störungen, die unter dem
universalhistorischen Gesichtspunkt sich einander aufheben, aber
in einem einzelnen Lande möglicher Weise die natürliche Entwicke-
lung hemmen und es uns so erschweren, die Bewegung der Oivili-
sation zu verfolgen. Ich werde sogleich sagen, wie ich dieser
Schwierigkeit zu begegnen suche, zuvor jedoch wünsche ich die
Gründe anzugeben, die mich bewogen haben, die Geschichte von
England zu wählen, sie für wichtiger als irgend eine andere und
darum für die geeignetste zu halten, um sie einer erschöpfenden
und philosophischen Untersuchung zu unterwerfen.
Der grosse Vortheil bei der Prüfung vergangener Begebenheiten
besteht in der Möglichkeit, die Gesetze zu ergründen, von denen
sie geleitet werden; da leuchtet es nun ein, dass die Geschichte
eines Volks um so werthvoller wird, je weniger seine Bewegungen
durch fremde Einwirkung gestört werden. Jeder fremde oder aus-
wärtige Einiluss auf eine Nation ist eine Einmischung in ihre Ent-
wickelung und macht daher die Umstände, welche wir zu erforschen
suchen, verwickelter. Verwickelungcn zu vereinfachen ist in allen
Wissenszweigen der erste wesentliche Erfolg. Hiermit sind die
Physiker oder Natur-forscher sehr wohl bekannt und durch ein ein-
ziges Experiment können sie oft eine Wahrheit entdecken, nach
welcher unzählige Beobachtungen vergeblich gesucht hatten. Der
Grund ist, dass wir bei den Experimenten die Erscheinungen von
ihren Verwiekelungcn befreien können; so isoliren wir sie, befreien
sie von der Einwirkung unbekannter Kräfte und überlassen sie
gleichsam ihrem eigenen Verlauf, um uns die Wirkung ihres inne-
wohnenden Gesetzes zu enthüllen.
Und dies wäre dann der wahre Maassstab um den Werth
der Geschichte irgend eines Volks darnach zu bemessen. Die
Wichtigkeit der Geschichte eines Landes hängt nicht von dem Glanz
seiner Heldenthaten ab, sondern von dem Grade, in welchem seine
Handlungen aus Ursachen entspringen, die ihm selbst angehören.
Könnten wir daher ein civilisirtes Volk ünden, das seine Civilisa-
tion ganz allein ausgebildet, das sich allem fremden Einfluss ent-
zogen hätte und durch die Charaktere seiner Herrscher weder ge-
fordert noch gehemmt worden wäre, so würde seine Geschichte
von höchster Wichtigkeit sein, denn sie würde eine normale Ent-
wickelung von Innen heraus darstellen; sie würde die Gesetze des
Fortschritts, wie sie in einem isolirten Zustande thätig waren, zeigen,