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der Religion,
Einfiuss
einer kleinen Anzahl und in einem kurzen Zeitraum das individuelle
moralische Princip triumphirt und die Wirkung des umfassenderen
intellectuellen Gesetzes zerstört. Während also das sittliche Gefühl,
wodurch Einer getrieben wird ein Verbrechen zu begehen oder sich
dessen zu enthalten, einen ungemein grossen Einfluss darauf aus-
übt, wie viel Verbrechen er selbst begeht, wird es auf die Menge
der Verbrechen in der Gesellschaft, zu der er gehört, gar keinen
Einfluss haben, weil es am Ende sicherlich durch ein entgegenge-
setztes Gefühl, welches bei anderen ein entgegengesetztes Betragen
erzeugt, ausgeglichen wird. Eben so wissen wir Alle, dass sitt-
liche Grundsätze fast alle unsere Handlungen beeinflussen; aber
wir haben den unwiderleglichen Beweis, dass sie auf die Mensch-
heit im Ganzen nicht die geringste Wirkung hervorbringen, nicht
einmal auf Menschen in sehr grossen Massen, wenn wir nur die
Vorsicht gebrauchen, die socialen Phänomene einer hinlänglich aus-
gedehnten Periode und nach einem hinlänglich grossen Maassstabe
zu studiren, um den höheren Gesetzen freie Wirkung zu gestatten.
Da also die Totalität menschlicher Handlungen unter dem
höchsten Gesichtspunkt durch die Totalititt des menschlichen Wissens
regiert wird, so könnte es als eine einfache Sache erscheinen, dass
man die Nachricht von diesem Wissen sammelte und durch wieder-
holte Verallgemeinerung alle Gesetze, welche den Fortschritt der
Oivilisation leiten, feststellte. Und ich zweifle nicht im Geringsten
daran, dass dies zuletzt noch geschehen wird. Aber unglücklicher
Weise ist die Geschichte von Männern geschrieben worden, welche
ihrerrgrossen Aufgabe so wenig gewachsen waren, dass bis jetzt
von dem nothwendigen Stoff erst wenig gesammelt worden ist. An-
statt uns Dinge zu erzählen, die allein einen Werth haben, an-
statt uns über den Fortschritt des Wissens zu unterrichten und
über die Art, wie die Verbreitung dieses Wissens auf die Menschen
gewirkt hat, statt dessen füllen bei weitem die meisten Historiker
ihre Werke mit den unbedcutendsten und erbamrlichsten Einzel-
heiten, mit persönlichen Anekdoten von Königen und Höfen, mit
endlosen Nachrichten darüber, was ein Minister gesagt und ein
anderer gedacht und, das Schlimmste von Allem, mit langen Be-
richten von Feldzügen, Schlachten und Belagerungen, die sehr in-
teressant sind für die, welche dabei waren, aber völlig unnütz für
uns, denn sie geben uns weder neue Wahrheiten noch die Mittel
an die Hand, wodurch wir neue Wahrheiten entdecken könnten.
Dies ist das eigentliche Hinderniss, welches jetzt unsern Fortschritt