Einßuss
der
Religion,
Literatur
und
Staatsregierung.
195
geblieben, und nicht vielmehr von dem intellectuellen Wissen, wel-
ches viele Jahrhunderte lang fortdauernd vorwärts gekommen, ab-
hängen sollte. Sodann ist es eine Thatsache, dass die beiden
grössten Plagen der Menschheit nicht durch moralische Besserung
vermindert worden sind, sondern dass sie dem Einfluss intelle-
ctueller Entdeckungen gewichen sind und noch weichen. Aus alle-
dem folgt offenbar, wenn wir die Bedingungen des Fortschritts
der neueren Oivilisation erforschen wollen, so müssen Wir sie in
der Geschichte des Waehsens und der Verbreitung des intelleetuellen
Wissens suchen; physische Erscheinungen und moralische Grund-
sätze haben ohne Zweifel in kurzen Zeiträumen grosse Abweichungen
hervorgebracht, in längeren Perioden hingegen sich die Waage
gehalten und so den intellcctuellen Gesetzen unbehindert von ihrer
geringeren und untergeordneten Einwirkung das Feld überlassen.
Zu dieser Folgerung sind wir durch eine Reihe von Erörte-
rungen gelangt und von ihr gehen wir jetzt aus. Die Handlungen
der Einzelnen leiden bedeutende Einwirkung (lurch ihre moralischen
Gefühle und Leidenschaften, aber sie stehen mit Leidenschaften
und Gefühlen Anderer in Widerstreit und werden durch sie aufge-
wogen, und so kommt ihre Wirkung im Grossen und Ganzen der
menschlichen Angelegenheiten nirgends zum Vorschein, und die
Handlungen der Menschheit im Ganzen genommen werden der Masse
von Kenntnissen, die sie besitzt, zur Regulirung überlassen. Und
von der Art und Weise, wie individuelle Gefühle und Launen so
absorbirt und neutralisirt werden, ünden wir ein deutliches Bei-
spiel in den Thatsachen aus der Geschichte des Verbrechens, die
wir schon angeführt. Denn durch sie wird entschieden bewiesen,
dass sich die Menge der Verbrechen, die in einem Lande begangen
werden, Jahr für Jahr mit der erstaunlichsten Gleichförmigkeit
wiederholt und durch jene Launen und persönlichen Gefühle, von
denen die Handlungen zu oft abhängig gemacht werden, nicht die
geringste Abänderung erleidet. Wenn wir aber die Geschichte des
Verbrechens nicht Jahr für Jahr, sondern Monat für Monat zu Rathe
ziehen wollten, so würden wir weniger Regelmassigkeit finden,
wenn Stunde für Stunde, gar keine; eben so wenig Regelmässig-
keit würde sich zeigen, wenn wir statt der Berichte über die Ver-
brechen eines ganzen Landes nur die von einer Strasse oder einer
Familie kennten. Die grossen socialen Gesetze, denen das Ver-
brechen unterworfen ist, lassen sich nur durch die Beobachtung
einer grossen Anzahl und langer Perioden entdecken, während in
13'