Volltext: Geschichte der Civilisation in England (Bd. 1, Abth. 1)

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Die 
geistigen 
Gesetze. 
Wage halten und so für das Ganze völlig verschwinden. Bei einem 
grossen und umfassenden Ueberblick also hängen die Veränderungen 
bei jedem Oulturvolke im Ganzen einzig und allein von drei Dingen 
ab: zuerst von dem Umfang des Wissens seiner ausgezeichnetsten 
Männer, zweitens von der Richtung, welche dieses Wissen nimmt, 
d. h. von den Gegenständen, auf welche es sich bezieht, drittens 
und vor allem von der Ausdehnung, in welcher dieses Wissen ver- 
breitet ist und von der Freiheit, womit es alle Klassen der Gesell- 
schaft durchdringt. 
Dies sind die drei grossen Hebel der Cultur in jedem civili- 
sirten Lande, und obgleich ihre Wirkung durch die Laster oder 
Tugenden mächtiger Individuen gestört wird, so corrigiren sich 
doch diese moralischen Gefühle gegenseitig und im Durchschnitt 
bleiben lange Perioden unbeeinflusst davon. Aus Ursachen, die 
wir nicht wissen, verändern sich die moralischen Eigenschaften ohne 
Zweifel fortdauernd, und bei dem einen Manne, vielleicht auch bei 
der einen Generation wird ein Uebermaass guter Absichten, bei der 
andern ein Uebermaassvon schlechten vorhanden sein. Aber wir 
haben keine Ursache zu glauben, dass eine dauernde Veränderung 
in dem Verhältniss eingetreten ist, worin die, welche von Natur 
gute Absichten hegen, zu denen stehen, die mit bösen behaftet 
zu sein scheinen. Was man die angeborene und ursprüngliche 
Sittlichkeit der Menschheit nennen könnte, macht, so weit wir 
sehen, keinen Fortschritt. Von den verschiedenen Leidenschaften, 
die uns angeboren sind, herrschen einige zu dieser, andere zu 
jener Zeit vor. Erfahrung aber lehrt uns, dass sie immer in Wider- 
streit mit einander sind und sich daher durch ihren eigenen Gegen- 
satz die Wage halten. Die Wirkung eines Beweggrundes wird 
durch die Wirkung eines andern berichtigt, denn jedes Laster hat 
seine entsprechende Tugend. Der Grausamkeit wirkt Wohlwollen 
entgegen, durch Leiden wird Mitleiden erregt, die Ungerechtigkeit 
der Einen ruft die Wohlthätigkeit der Anderen hervor; neue Uebel 
finden neue Heilmittel und selbst die ungeheuersten Verbrechen, 
die jemals bekannt geworden sind, haben keinen dauernden Ein- 
druck hinterlassen. Die Verwüstung von Ländern und das Hin- 
schlachten ihrer Bewohner sind Verluste, die sich unfehlbar wieder 
ersetzen und in einigen Jahrhunderten ist ihre Spur gänzlich wieder 
verwischt. Die riesenhaften Verbrechen Alexander's oder Napoleods 
verlieren nach einiger Zeit ihre Wirkung und die Angelegenheiten 
der Welt kehren auf ihr früheres Maass zurück. Dies ist die Ebbe
	        
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