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Hülfsquellen bei der
Geschichtsforsehung.
nomie, ein andrer nichts von den Gesetzen, wieder ein anderer
nichts von geistlichen Angelegenheiten und von den Veränderungen
der religiösen Vorstellungen weiss; dass der eine die Statistik, der
andre die Naturwissenschaft vernachlässigt: obgleich diese Fächer
die wichtigsten von allen sind, da sie die Verhältnisse umfassen,
von denen vornehmlich die Stimmung und der Charakter der Men-
schen erzeugt und in denen Beides entfaltet werden. Und wenn
diese wichtigen Studien von dem Einen hier, von dem Andern dort
verfolgt werden, so hat sie dies vereinzelt, nicht vereinigt; die
Hiilfe aus der Analogie, die Erklärung des Einen aus dem Andern
ging verloren; und nirgends hat sich eine Neigung gezeigt, diese
Studien auf die Geschichte zu concentriren, von der sie doch so
zu sagen die nothwendigen Bestandtheile sind.
Seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind allerdings ein
Paar grosse Denker aufgestanden, haben die Verwahrlosung der
Geschichte beklagt und ihr nach Kräften abzuhelfen gesucht. Aber
diese Versuche sind vereinzelt: in der ganzen Europäischen Lite-
ratur finden sich nicht mehr als drei oder vier Originalwerke, die
wirklich ein systematischer Versuch sind, die Geschichte der Men-
schen nach der erschöpfenden Methode zu erforschen, die in an-
dern Wissenschaften den Erfolg sicherte, und durch die allein
empirische Beobachtungen zur wissenschaftlichen Wahrheit erhoben
werden können.
Im Ganzen finden wir seit dem 16. Jahrhundert und besonders
während der letzten 100 Jahre unter den Historikern Anzeichen
eines umfassenderen Blicks und eine Bereitwilligkeit, Gegenstände,
die sie früher ausgeschlossen hätten, in ihre Werke aufzunehmen.
So ist eine Mannichfaltigkeit des Inhalts entstanden, und die blosse
Sammlung und das V erhältniss neben einander her-laufender That-
sachen haben gelegentlich allgemeine Gesichtspunkte an die Hand
gegeben, von denen sich in der früheren Europäischen Literatur
keine Spur findet. Dies war ein grosser Gewinn; es machte die
Historiker mit einem weiteren Gesichtskreise vertraut und emruthigte
die speculative Richtung, die zwar zu Missbrauch führen kann,
aber doch die wesentliche Bedingung alles wahren Wissens ist,
denn ohne sie ist kein wissenschaftliches System zu errichten.
Sind nun aber auch die Absichten der Geschichtschreiber er-
freulicher, als in irgend einem früheren Zeitalter, S0 muss doch
zugegeben werden, dass es, mit wenigen Ausnahmen, nur Absich-
ten sind, und dass bis jetzt kaum irgend etwas geschehen ist, um