Die
geistigen
Gesetze.
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ist es unzweifelhaft, dass die grösste Mehrheit derer, die religiöse
Verfolgungen geleitet haben, Menschen von der reinsten Absicht
und von ausserordentlicher und tadelloser Moralität gewesen sind.
Dies kann nicht anders sein; sie haben keine bösen Absichten,
wenn sie Meinungen, welche sie für gut halten, erzwingen wollen.
Noch weniger sind Die schlechte Menschen, welche ohne alle irdische
Rücksicht alle Mittel ihrer Macht nicht zu ihrem eigenen Nutzen,
sondern zur Ausbreitung einer Religion anwenden, von deren Noth-
Wendigkeit für die ewige Seligkeit der Menschheit sie überzeugt
sind. Solche Menschen sind nicht schlecht, sie sind nur unwissend,
unwissend über die Natur der Wahrheit, unwissend über die Folgen
ihrer eigenen Handlungen, aber moralisch genommen kann man
ihren Beweggründen keinen Vorwurf machen. Es ist vielmeln- das
Feuer ihres aufrichtigen Eifers, welches sie zu der Verfolgung er-
hitzt. Von ihrem heiligen Eifer werden sie angefeuert, von ihm
wird ihr Fanatismus zu einer zerstörcnden Thatigkeit erweckt.
Wenn man irgend Jemand von der höchsten Wichtigkeit einer sitt-
lichen und religiösen Lehre ausschliesslich überzeugen kann, wenn
man ihn zu dem Glauben bringen kann, dass diejenigen, welche
diese Lehre verwerfen, ewig verdammt sind, wenn man einem sol-
chen Manne die Macht in die Hände geben und ihn durch seine
Unwissenheit über die weiteren Folgen seiner Handlung verblenden
kann, so wird er ganz gewiss alle verfolgen, welche sich nicht
zu seiner Lehre bekennen. Und das Maass seiner Verfolgung wird
durch das Maass seiner Aufrichtigkeit geregelt werden. Vermindern
wir seine Aufrichtigkeit, so schwächen wir seine Verfolgung, mit
anderen Worten, durch Verringerung seiner Tugend können wir
dem Uebel Einhalt thun. Dies ist eine Wahrheit, wofür die Ge-
schichte so unzählige Beispiele liefert, dass man ihr nicht wider-
sprechen kann, ohne die einfachsten und bündigsten Beweise zu
verwerfen, ja ohne das übereinstimmende Zeugniss aller Zeitalter
zurückzuweisen. Ich will nur zwei Fälle auswählen, welche wegen
der gänzlichen Verschiedenheit der Umstände die Sache von zwei
entgegengesetzten Seiten erläutern, den ersten aus der Geschichte
des Heidenthums, den anderen aus der des Ohristenthums, welche
beide beweisen, dass die Moralität nichts über die religiöse Ver-
folgung vermag.
1) Die Römischen Kaiser liessen die ersten Christen verfolgen.
Diese Verfolgungen sind zwar übertrieben worden, waren aber
sehr häufig und sehr hart. Was aber Manchem äusserst sonderbar