geistigen
Die
Gesetze.
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stein auf irgend eine Reihe von Umständen anzuwenden, welche
für die Ursache gehalten werden, und wenn wir finden, dass diese
Umstände nicht sehr veränderlich sind, so müssen wir schliessen,
dass sie nicht die Ursache sind, auf deren Entdeckung wir aus-
gehen.
Wenden wir diesen Prüfstein auf sittliche Motive oder die Ge-
bote des sogenannten sittlichen Gefühls an, so werden wir sogleich
bemerken, wie äusserst gering der Einiluss ist, den diese Beweg-
gründe auf den Fortschritt der Civilisation ausgeübt. Denn es findet
sich ohne Zweifel nichts in der Welt, was so wenig Veränderung
erlitten hat, als jene grossen Grundsätze, welche die Moralsysteme
ausmachen. Anderen Gutes zu thun, unsere eigenen Wünsche zu
ihren Gunsten zu opfern, unsern Nächsten zu lieben wie uns selbst,
unseren Feinden zu verzeihen, unsere Leidenschaften im Zaum zu
halten, unsere Aeltern zu ehren, die Obrigkeit zu achten, dies und
dergleichen mehr sind die Hauptsätze der Moral; aber sie sind seit
Jahrtausenden bekannt und nicht ein Titelchen ist zu ihnen hinzu-
gefügt worden durch alle Predigten, Homilien und Textbücher,
welche Moralistcn und Theologen zur Welt gebracht! 4)
Wenn wir dagegen den stationären Zustand moralischer Wahr-
heiten mit dem fortschreitenden Zustande intellectueller Walnheiten
vergleichen, so finden wir in der That einen auffallenden Unter-
14) Dass das Moralsystem des Neuen Testaments keine einzige Maxime enthält,
die nicht schon früher ausgesprochen werden, und dass einige der schönsten Stellen
in den apostolischen Schriften aus heidnischen Schriftstellern genommen sind, ist
jedem Gelehrten wohl bekannt; und dies ist so wenig ein Vorwurf für das Christen-
thum, dass es ihm vielmehr zur Empfehlung gereicht, denn es beweist die innige
Verwandtschaft der Lehren seines Stifters mit der sittlichen Richtung der Menschheit
zu verschiedenen Zeiten. Aber zu behaupten, das Christenthum hätte der Menschheit
vorher unbekannte sittliche Wahrheiten mitgetheilt, beweist entweder grobe Unwissen-
heit oder gcliissentlichen Betrug. Als Zeugen über die Kenntniss moralischer Wahr-
heiten, welche barbarische Völker unabhängig vom Christenthum und meistens vor
seiner Verkündigung besassen, vergl. Mackuy, Rcligious development II, 376-380;
Mure, Hist. af Greek litemtme II, 398, III, 380; Prescott, Hist. of Mexieo I, 31;
Elphinslone, Hist. of India 47; Werks of Sir W. Jones I, 87, 168, In, 105, 114;
Hill's Hist. of India I, 419; Bohlen, Das alte Indien -I, 364-366; Beausobre, Hist.
de Maniohäe 1, 318, 319; Oolemanhs Jlfythology of tke Hindus 193; Trunsac. of sooiet.
of Bombay 111, 198; Transuc. of Asiat. soc. I, 5, III, 283, 284; Asiat. resea-rches
VI, 271, V11, 40, XVI, 130, 277, XX, 460, 461; Tke Dabistan I, 328, 338; Catlin,
North American Indiana II, 243; Syme, Embassy to Ava II, 389; Davis Chinese I,
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