Prüfung
der Metaphysiker.
der Methode
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Aus diesen Gründen, denke ich, müssen wir zu der Ansicht
gelangen, Metaphysiker sind nothwendig und durch die Natur ihrer
Forschung in zwei sich gänzlich widerstreitende Schulen getheilt,
deren verhältnissmässige Wahrheit sich nicht ermitteln lässt; ferner
haben sie nur wenig Mittel und brauchen diese nach einer Methode,
wonach nie eine andere Wissenschaft entwickelt worden ist; wir
dürfen daher nicht erwarten, dass sie uns etwas an die Hand
geben sollten, wodurch wir die grossen Probleme lösen könnten,
welche die Geschichte des menschlichen Geistes uns aufgiebt. Und
wer sich die Mühe nehmen will, den gegenwärtigen Zustand der
(englischen) Geistesphilosophie (mental philosoplzy, Psychologie) un-
parteiisch zu beurtheilen, wird zugeben, obgleich sie immer auf
einige der mächtigsten Geister einen Einfluss ausgeübt und durch
sie die Gesellschaft in weiten Kreisen beherrscht hat, so giebt es
doch keine andere Wissenschaft, welche mit solchem Eifer betrie-
ben und so erfolglos geblieben ist. In keinem anderen Wissens-
zweige ist eine solche Bewegung und ein so geringer Fortschritt
gesehen worden. Männer von hervorstechendem Geist und von
der ehrlichsten Absicht sind seit Jahrhunderten in jedem civilisiiten
Lande mit metaphysischen Untersuchungen beschäftigt gewesen;
und dennoch sind in diesem Augenblick ihre Systeme so weit da-
von entfernt, sich der Wahrheit zu nähern, dass sie sich vielmehr
mit einer Schnelligkeit von einander entfernen, die sich mit dem
Fortschritt der Wissenschaften nur zu steigern scheint. Die un-
aufhörliche Plifersueht der feindlichen Schulen, die Heftigkeit ihrer
Vertheidiger und die aussehliessliche unphilosophische Zuversicht,
womit jede Schule ihre Methode behauptet hat Alles dies hat
das Studium des Geistes in eine Verwirrung gestürzt, welcher nur
die gleich kommt, worin das Studium der Religion durch die Strei-
tigkeiten der Theologen gestürzt werden") Die Folge ist, dass,
mit Ausnahme einiger Gesetze über Ideenassociation und etwa der
L
1') Berkeley, in einem aufrichtigen Augenblick, bekennt, ohne es zu merken,
einen Umstand, der dem Ruf seiner Bestrebungen nicht eben günstig ist: „Im Ganzen
bin ich geneigt zu glauben, dass bei weitem der grössere Theil, wenn nicht alle
unsere Schwierigkeiten, welche uns Philosophen bisher behindert und den Weg zur
Wissenschaft versperrt haben, ganz und gar unsere eigene Schuld sind, dass wir erst
einen Staub aufgestört haben und dann beklagen, wir könnten nicht sehen." Princi-
Plus qf lnmum knawledge, Berkelegfs Werks I, 74. Jeder Metaphysiker und Theologe
sollte diesen Ausspruch auswendig lemen: "Dass wir erst einen Staub aufgcstört
haben und uns dann beklagen, wir könnten nicht sehen."