der Naturgesetze.
Einfluss
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Gaide hat sogar angenommen, dass die Lebergefässe einiger lnsecten gar nicht abson-
derten; dies scheint jedoch ein Irrthum zu sein. S. Latreille in Cmriefs ICZyvze ammal
IV, 297, 298. Wenn wir nun statt verschiedener Thierarten die verschiedenen Stufen
vergleichen, die dasselbe Thier durchläuft, so werden wir eine weitere Bestätigung
dieses ausgedehnten und merkwürdigen Verhältnisses finden. Das Gesetz gilt sogar
vor der Geburt. Bei dem ungeborenen Kinde haben die Lungen kaum irgend eine
Thätigkeit, die Leber aber eine ansehnliche Grösse, eine energische Thätigkeit und
entwickelt Galle in Fülle?) Und so unwandelbar ist dies Verhältniss, dass im Men-
schen die Leber das erste Organ ist, welches sich bildet; es herrscht vor während
des ganzen Fötuslebens, schwindet aber rasch, wenn nach der Geburt die Lungen ins
Spiel kommen und eine neue Art der Ausgleichung im Körper eintritt?)
Diese Thatsachen sind für unsere Ansichten sehr wichtig. Da die Leber und die
Lungen in der Geschichte ihrer Bildung sich einander ersetzen, so ist es sehr wahr-
scheinlich, dass sie dies auch in ihren Functionen thun, und das, was der eine Theil
unterlässt, der andere zu ergänzen hat. Da nun die Leber nach der Chemie den
Körper vom Kohlenstoff befreit, indem sie eine kohlcnstoifreiche Flüssigkeit aussen-
dert, so könnten wir selbst ohne weitere Zeugnisse dafür erwarten, dass die Lungen
ebenfalls Kohlenstoff aussondern; mit andern Worten, dass wenn wir aus irgend einem
Grunde mit Kohlenstoü" überladen sind, unsere Lungen dem Uebel zur Abhülfe dienen.
Dies bringt uns auf einem anderen Wege zu dem Schluss, dass stark mit Kohlenstoff
geschwlingerte Nahrung die Lungen anstrengen wird; und der Zusammenhang zwischen
einer kohleustoifhaltigen Nahrung und den Athmungsorganen ist keineswegs eine un-
verdaute Hypothese, wie man behauptet hat, sondern eine wissenschaftliche Theorie,
die nicht nur durch die Chemie, sondern auch durch die ganze Anlage des Thierreichs
unterstützt wird, ja selbst durch die Beobachtung über die Entwickelung des Embryos
Liebigs und seiner Schüler Ansicht wird in der That durch so viele Analogieen be-
stätigt und stimmt so gut mit anderen Ergebnissen unserer Wissenschaft, dass nur
ein sehr ungehöriger Widerwille gegen Verallgemeinerung oder eine Unfähigkeit mit
a) Das Vorherrschen der Leber vor der Geburt wird von Bichat (Anatomie gänärale II, 272) und
vielen anderen Physiologen bemerkt; aber Elliotson scheint der erste gewesen zu sein, der die
Tbatsachc verstanden hat, nach deren Erklärung man sich vergebens bei früheren Autoren umsieht.
Er sagt in seiner Human physiology 1840, p. 102: „Die Hypothese, dass eine Hauptfunction der
Leber wie der Lunge wäre, Kohlenstoff aus dem Körper zu entfernen, mit diesem Unterschied, dass
die Veränderung der Capacität der Luft in den Lungen eine Aufnahme von Wärme ins Blut ver-
ursache, während die Aussonderung der Leber stattfindet ohne eine Einführung von Wäiyne; dies
war eine Lieblingsbetrachtung bei mir, als ich Student war; die Heidelberger Professoren brachten
ebenfalls Gründe dafür bei. Im Fötus, für dessen Temperatur die Wärme der Mutter ausreichen
muss, wirken die Lungen nicht; aber die Leber ist von grossein Umfang und Galle wird im Ueber-
iluss entwickelt, so dass das Meconium oder Kinderpech während der letzten Monate der Schwanger-
schaft sich bedeutend snsunimelt." In Lepelleliewäs Physiologie märlicale ist dies Alles in der trau-
rigsten Confusion.
b) "Die Leber ist das erste Organ, welches sich im Embryo bildet. Es entwickelt sich von
dem Nahrungsgange und füllt um die dritte Woche den ganzen Bauch und ist halb so schwer sls
der ganze Embryo. Bei der Geburt ist die Leber sehr gross und nimmt den ganzen Obenn Theil
des Bauches ein. Nach der Geburt schwindet sie reissend schnell, wahrscheinlich durch den Weg-
fall der Nabelader." Wilsunäs Human anatomy 638. Burdaclrs Physiol. IV, 447, wo es von der
Leber in der Kindheit heisst: „DiesesOrgan wächst langsam besonders im Vergleich zu den Lungen,
deren Verhiiltniss zur Leber wie 1:3 vor dem Athmen war und nach dem Eintritt dieser Function
wie 121,96 ist. S. 91 und III, 483. Ueber das Vorherrschen der Leber im Fötus siehe Serres bei
Geoßi-oy St. Hilai-re, Anomalifs de rorganisation II, 11, dessen allgemeine Schlüsse vielleicht etwas
voreilig sind.