der
Einfluss
Naturgesetze.
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Sie ist es, die die Dichter mit der Vorstellung des goldenen Zeit-
alters beglückte, worin die Welt mit Frieden erfüllt, die bösen
Lüste zum Schweigen gebracht und Verbrechen unerhört waren.
Sie ist es auch, die den Theologen ihre Vorstellung von der ur-
sprünglichen Tugend und Einfalt des Menschen und von seinem
späteren Fall aus jener Höhe gab. Und sie ist es endlich, die
den Glauben verbreitete, dass in alten Zeiten die Menschen nicht
nur tugendhafter und glücklicher, sondern auch physisch von vor-
Züglicherem Körperbau gewesen und dass sie so eine grössere Ge-
stalt und ein höheres Alter erreicht hätten, als uns, ihren schwachen
llnd entarteten Nachkommen, möglich ist.
Da solche Meinungen von der Phantasie dem Verstande zum
Trotz angenommen werden, so folgt, dass in jedem Lande die
Stärke dieser Meinungen einen Maassstab hergiebt, nach dem wir
das Vorherrschen der Einbildung schätzen können. Wenden Wir
dies auf die Indische Literatur an, so werden wir eine auffallende
Bestätigung der Schlüsse finden, die wir schon gezogen. Die wun-
derbaren Thaten des Alterthums, von denen die Sanscritbücher
überfliessen, sind so lang und so verwickelt, dass selbst ein Ab-
Piss derselben zu viel Raum wegnehmen würde; aber eine Art dieser
seltsamen Dichtungen verdient Beachtung und lässt sich kurz dar-
Stellen. Ich meine das ausserordentliche Alter, welches die Men-
Sehen in früheren Zeiten erreicht haben sollen. Der Glaube, dass
die Menschen im Anfange länger gelebt hatten, war ein natürliches
Product der Vorstellungen, welche den Alten eine allgemeine Ueber-
lßgenheit über die Neueren zuschreiben; davon haben wir Beispiele
iIl einigen christlichen und manchen jüdischen Schriften. Aber
diese Angaben sind zahm und unbedeutend im Vergleich mit denen,
Welche uns die Indische Literatur aufbewahrt hat. In dieser, wie
in jeder anderen Hinsicht lässt die Einbildung der Hindus alle
Mitbewerber weit hinter sich. So finden wir unter einer Unzahl
ähnlicher Thatsachen die Nachricht, dass in alten Zeiten die Lebens-
dauer gewöhnlicher Menschen 80,000 Jahre geweseni") lllld dass
Heilige über 100,000 Jahre lebten? ' i) Einige starben etwas früher,
andere etwas später, aber in der blühendsten Zeit des Alterthums,
die fromme und die gottlose Klasse in einander gerechnet, sind
d_ '34) Asiat. resem-ches XVI, 456, Caloutta 1528. Die Theologen von Tibet haben
m Iwmliche Zahl, Journal Asiat. 1. Serie, V01. 111,199, Paris 1823.
m) Rhodc, Religiöse Bildung der 11mm 1, 175.
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