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gothische
Der
Styl.
Theilen des Bauwerkes den denkbar leichtesten Ausdruck, es tritt
in dieser Ausbildung der deutsch-gothischen Thürme die vollste
Ueberwindung und Beherrschung der baulichen Masse selbst bis an
die ausserste Consequenz der Verleugnung derselben durch die deco-
rative Gliederung zu Tage. Zuweilen sind die Thürme ihrer ganzen
Höhe nach vier- oder achteckig gebildet und bekommen in beiden
Fällen achteckige Helme, zuweilen ist der Helm in Form einer durch-
brochenen aus Masswerk gebildeten Kuppel in Ausführung gekommen.
Sehr häufig wurde, namentlich bei kleineren Kirchen, die
Spitze des Thurmes nicht wie oben aus Stein gebildet, sondern es
trat an die Stelle des durchbrochenem Steinhelmes ein geschlossener
Holzhelm. Aber auch dieser erhebt sich zumeist auf achteckiger
Basis und erhält nicht selten kleinere Helme zur Seite, welche auf
das Thurmgesims aufsetzen oder selbst höherliegend in die Schräg-
flächen des Thurmdaches einschneiden. Fig. 102. Krabben und
Kreuzblumen fallen hier fort oder sie werden aus Nletall gebildet.
Vollkommen verschieden ihrer Lage und Form nach von den deutsch-
gothischen Thürmen sind die italienisch-gothischen. Sie stehen zur
Seite der Kirchen und üben demnach keinen Einfluss auf die Fagaden
derselben, ausserdem erheben sie sich meist durchweg auf quadra-
tischer Grundfläche und sind oben Hach abgedeckt oder mit einem
undurchbrochenen viereckigen Helme bekrönt. Es macht sich hier,
wie im italienisch-gothischen Bau überhaupt, die Wirkung der Flächen
und Massen mehr geltend als bei dem nordischen Thurme. (Siehe
Fig. 81.)
Endlich muss noch als charakteristisches Merkmal des gothischen
Baues das hohe, steile Kirchendach Erwähnung finden. Ursprüng-
lich aus klimatischen Verhältnissen hervorgegangen, trat es in volle
Harmonie mit allen Theilen des Baues und hat namentlich auf die
steile Form der Giebel, Wimperge u. s. w. den mächtigsten Einiiuss
genommen. Der First wird zuweilen mit einer aufrechtstehenden
Krönung aus Metall bekleidet, der Durchschneidungspunkt des Lang-
hauses mit dem Querbau durch ein hölzernes oder steinernes Vierungs-
thiirmchen (Dachreiter) bezeichnet. Die grossen Dachfiächen der
Hallenkirchen werden an einigen Monumenten mit Giebeln maskirt,
welche sich über die Langmauern der Kirche zwischen den Strebe-
pfeilern erheben. Die italienisch-gothischen Kirchen sind mit Flachen
Dächern versehen oder wie der MailäinderDom terrassenförmig mit
Steinplatten abgedeckt.