Volltext: Styl-Lehre der architektonischen Formen der Renaissance (Bd. 3)

Der 
Styl 
französischen 
Renaissance. 
Ensembles von hoher Schönheit ein. Hier fehlt wohl der strenge Orga- 
nismus in der Form, die feststehende Gliederung des Ganzen, an ihre 
Stelle tritt aber der Ausdruck eines ungemein feinen künstlerischen Sinnes, 
der über das Schematische der Architektur hinaustretend, mit grosser 
Freiheit sein volles Genügen an reicher Gruppirtlug und Verwerthung 
der verfügbaren Formen findet.   
Stadthaus zu Paris, seit 1533 erbaut von. Domenico Boccardo aus 
Cortona, die Fagarle 1607 beendet. Das Gebäude ist auf trapezförmigem 
Bauplatze um einen Pfeilerhof angelegt und erhebt sich über einem Unter- 
bau in zwei Stockwerken. Die Fagade ist in der Mitte mit einem Uhr- 
thurrn, an beiden Ecken mit Pavillons versehen. In der Gliederung der 
Architektur kommt eine edle norditalische Ilochrenaissunce zur (Leitung, 
doch hat der Architekt auch der Oertlichkeit seines Baues durch Ver- 
werthuug der Pavillons, der hohen Dächer mit Lucarnen und der eigen- 
thüxulichen Decoration der Fensterpfeiler des zweiten Stockwerkcs Rech- 
nung getragen.  
Das Stadthnus von Paris erfuhr in unserem Jahrhunderte eine be- 
trächtliche Vcrgrösserung nach beiden Seilen des früher besprochenen 
Mittelbaues, wurde aber 1871 zerstört. 
Neuer Flügel des Studthauses zu Arras, seit 1572 erbaut von 
Mathias Tisson und der späteren Zeit angehörig: die Stadthäusei- von 
La Rochelle (1605), Rheims (1627), Lyon (1646) u. A. 
Das bürgerliche Wohnhaus zeigt die verschiedensten 
Formen der Grundrissdisposition, es ist nicht wie in Italien als kleines 
Palais gedacht und mit voller Regelmässigkeit angeordnet, hier 
spielt vielmehr die Nutzbarkeit des Hauses eine grosse Rolle 
und es fügen sich derselben die Räume und Stiegen, die Verkaufs- 
läden des Erdgeschosses, und die Eingänge. 
Durchweg ist das Haus nach der Tiefe sich erstreckend und 
mit einem Hofe angelegt, nach der Strasse liegen die Haupträume in 
drei bis vier Stockwerken, sie öffnen sich durch viele und grosse 
Fenster. Auch hier hält sich der Einfluss des Mittelalters auf- 
recht, führt aber selten zu einer Leistung, die dem Eindrucke 
des voll Durchdachten und aus einem Gusse Geplanten entspricht. 
Doch lässt auch das Privathaus mit den vielen, dem Schlossbau 
verwandten Elementen in Gruppirung und Gliederung den 
Charakter des Styles in seiner Art deutlich zu Tage treten 
und zeigt in dieser ganz speciell französischen Form keine 
Aehnlichkeit mit den in Italien erreichten Lösungen verwandter 
Aufgaben. Die Fagade entbehrt fast durchweg der ruhigen 
Massenwirkung, Alles ist auf die Gliederung der Architektur, 
welche wieder durch, dem Klima entsprechende, reichliche 
Fensteranlagen bedingt ist, berechnet. Auch hier fehlt das ab- 
schliessende, weitausladende Kranzgesimse. 
	        
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