Das
italienische
Renaissance-Ornament.
In keinem Style hat das Ornament eine so vielseitige Aus-
bildung und so reichliche Verwerthung gefunden, als in der
italienischen Renaissance. In der Zahl der Motive sowohl, als
auchrin der Verschiedenheit der Durchbildung derselben, be-
kundet kein Styl solche Lebendigkeit und Beweglichkeit, wie der
in Rede stehende. Die Decoration tritt aber hier in ein viel
loseres Verhältniss zum structiven Bau, als in den Werken or-
ganischer Style, sie ist mit demselben nicht aus einem Gusse,
aus einem Gedanken erwachsen, sondern diesem im NVesen
iiusserlich angefügt und demnach auch einer reicheren Durch-
bildung im Ganzen und in einzelnen Theilen, ohne Aufhebung des
losen Zusammenhanges mit dem Gesammtorganismus, fähig. Im
Gegensatze zum griechischen und gothischen Style war hier, beim
abgeleiteten, jene freie Behandlung in der Form denkbar,
welche unter dem Einflusse hohen künstlerischen und kunst-
technischen Vermögens zu den Resultaten führen konnte, durch
welche die Renaissance als Decorativstyl eine so bedeutungsvolle
Stelle einnahm.
Die Herrschaft des Ornamentes und die hohe Ausbildung
desselben hängt mit einem Drange zum Zieren und Schmücken
zusammen und mit dem günstigen Umstande, diesem Drange
auch auf ästhetische Weise gerecht werden zu können. Der
Renaissancekünstler giebt im Gegensatze zum Bildner der
Antike seinem Werke ein bedeutendes Mehr von Zierformen
über die streng abgeschlossene Form des Ganzen hinaus, er
schöpft aus einer sprudelnden Quelle von Formen und bildet
sie blos ihrer Schönheit zu Liebe und mit durchaus heiterem Ge-
präge. Die ornamentalen, wie die Structivformen sind weder
kirchlich noch profan gedacht, sondern ein und derselbe Geist
durchdringt beide, der Geist heiterer Schönheit, der freilich
mit dem hohen Ernste der Antike und des Mittelalters nicht zu
vergleichen sein dürfte.
Besonders treibt das Quattrocento und der Anfang des
Cinqtlecento die reichsten Blüthen auf diesem Gebiete, und es
ist nur dem hohen künstlerischen Sinne der Zeit zuzuschreiben,
dass diese Zierlust nicht früher in der Architektur auf Ab-
Wege
führte.