lung mit Ausnahme der Architektur schienen auch die Zustände der
Neuzeit es zu fordern, wie in den drei letztvergangenen Jahrhunderten
durch Heranziehung continentaler Künstler die eigene Thätigkeit zu
ersetzen oder wenigstens zu beleben. Es ist demnach in hohem
Grade überraschend, gerade da, wo Unterstützung von aussen so
dringend schien, ungleich mehr Selbstständigkeit zu finden, als wir
sie in Italien, der Heimat der Kunst, in der Gegenwart nachzuweisen
vermochten.
Als der Vorläufer der modernen Selbstständigkeit der englischen
Malerei ist Joshua Reynolds, dessen umfassende experimentelle Praxis
Wie dessen Schriften noch immer die Grundlage der modernen Pinsel-
thätigkeit Englands bilden, zu betrachten. In vielen Stücken hat er
sich bitter getauscht, sich wohl auch selbst enttäuscht gesehen, aber
auch da ist sein Vorgang im negativen Sinne von Nutzen gewesen.
Jedenfalls War damit der nähere Anschluss an die Natur und die
Berechtigung der Künstlerindividualität begründet worden. Sein die
Zeichnung vernachlässigendes System ist zwar selbst von seinem
Nachfolger Lawrence nicht befolgt worden, fand aber in den letzten
Jahrzehnten, zum Theil auch bei continentalen Meistern, erneute
Aufnahme. Doch ist nicht zu leugnen, dass der Stempel wissen-
schaftlicher Forschungen im Gebiete der Coloristik den Kunstwerken
den eigentlichen Charakter nimmt, und dieselben zwar recht inter-
essant und belehrend, aber selten ansprechend macht.
Dass auf dieser Grundlage die Historienmalerei nicht ge-
deihen kann, ist selbstverständlich. Auch ist der Engländer so
abhängig von seinen Dichtern, dass er sich höchstens zur Illustration
derselben erschwingt, wobei er sich aber seltener die grössten, als die
bizarrsten Scenen seines Shakespeare zum Vorwurfe wählt. Auch
dann noch folgt er am liebsten den Darstellungen auf der Bühne
selbst mit Heranziehung hervorragender Repräsentanten, statt sich
die vom Dichter gezeichneten Charaktere in eigener Phantasie zurecl1t-
zulegen, wie diess die Sammlung von South-Kensington zur Genüge
belegt. Wenn von den Historienmalern jüngster Zeit der eine oder
andere diesen Kreis verlässt und in freier Erfindung sich bethätigt,
so begegnet entweder studirte Kälte oder wie bei J. E. Millags
unverantwortliche Wunderlichkeit, und es dürfte in diesem Ge-
biete vielleicht nur E. Ward und F. Le-iglzton, der letztere übrigens
ein Schüler unseres Steinle, hervorgehoben werden.