Künstler. Glassicismus und Romantik hatten in Deutschland, WO
man von vorneherein mit den abgelebten Reminiscenzen der Ver-
fallszeit gründlicher aufräumte, als diess in Frankreich trotz Revo-
lution gelungen war, einen reineren Boden vorgefunden und deshalb
auch unbestreitbar mehr und bessere Blüthen getrieben als in der
gleichzeitigen französischen Architektur. Frei von äusserlicher Osten-
tation hatte man den naturgemäissen Weg der Gonstruction mit
strenger Maasshaltung in der iiussern Erscheinung verfolgt, bis man
des Technischen wie des Organismus der Zierformen mächtig war,
und die Schätze der Vergangenheit in ernstem Studium aufgestapelt
ohne die verderbliche Absicht, das Gewonnene in prahlerischer Ueppig-
keit auf einmal loszuschlagen. Die Tendenz nach blendender Ueber-
wältigung unter profuscm Aufwande aller Mittel, wie sie dem fran-
zösischen Baukünstler eigen, der schon in seinen prächtig ausgeführten
Entwürfen die Absicht des Bestechens selten verhehlt, ist dem deutschen
keineswegs eigen, der den Ruhm hat und verdient,
zu sein als zu scheinen. Wer je architektonische Entwürfe von
deutscher Hand mit jenen französischer Architekten verglichen hat,
wird auch, falls er ein Auge für das Wesen hat, diess nicht ver-
kannt haben. Noch mehr aber wird Jedem, der die Pariser Monu-
mentalbauten der Periode von dem Ableben des Classicismus bis zur
Regierungszeit Napolcons III. mit den Werken SchinkePs und "seiner
Schule und selbst mit jenen Münchens oder Stuttgarts aus der glei-
chen Zeit zusammenhält, finden, dass die besonnene und PPLIHKlOSO
Maasshaltung und Gründlichkeit der deutschen Architekten Werke
von bleibenderem und reellerem Werthe geschaffen habe, als ihn die
monumentalen Neubauten von Paris beanspruchen können.
Das Hauptgebiet der Architektur der unmittelbaren Gegenwart
ist aber der Privatbau. Das Hinschwinden der Idealitiit, wie es in
der Gegenwart unverkennbar, hat das frühere Verhältniss der künst-
lerischen Anstrengung für ideale und vorab Cultzwecke und für Pro-
fanzwecke wesentlich verändert. Individuum und Capital bemäch-
tigen und bedienen sich der Kunst ungleich mehr für eigene Zwecke
als diess früher geschehen war und geschehen konnte, wo Kirche, Fürst
und Staat fast allein der Kunst Nahrung gaben und dafür ihrer
Dienste genossen. Das bürgerliche Wohnhaus, vorher schlicht und
untergeordnet, ist jetzt aus seinem Dunkel getreten und schraubt sich
Zum Palast empor. Die Städte haben dadurclrihre Physiognolllien