Auch Paris, welches hier wie nach allen Seiten künstlerischer
'l'hiitigkeit hin als gleichbedeutend mit Frankreich gelten kann, ist
weit entfernt, in seiner Architektur die Höhe seiner Malerei erreicht
zu haben. Seit es den Classicismus abgestreift, hat es zur Renaissance
und zwar gleichwohl zur nationalen gegriffen, allein ohne es zu einer
wirklichen gesunden Weiterentwicklung gebracht zu haben. Nicht
als 0b es an reichlicher Gelegenheit hiezu gefehlt hätte, da ja be-
kanntlich halb Paris seit 20 Jahren umgebaut worden ist und die
Stadt bis zum wirthschaftlichen Ruin sich angestrengt hat, auch im
Innern die prunkende Boulevarderscheinung zu entfalten. Denn der
Charakter der modernen pariser Architektur ist wenig anderes als
der einer ziemlich monotonen Paraphrase jenes Styles, welcher im
Louvre gipfelt, und in diesem allerdings den sprechendsten Ausdruck
für die französische Eigenart gefunden hat. Die Facaden der Boule-
vards Wirken daher wie ermüdende Fanfaren, wie ein prunkvolles
Kleid ohne innere Bedeutung, bei Welchem es nur auf Ueberbicten
des Aeusseren durch Reichthum und decorative Geschicklichkeit an-
kömmt und keineswegs auf harmonische Gediegenheit, Welche auch
in dem lärmenden Treiben der Weltstadt wie alle Anspruchlosigkeit
wirkungslos bliebe. Kein Wunder, dass in dem rauschenden Vor-
trag der endlosen Variationen über dasselbe Thema nur mehr grelle
Extravaganzen Wirken, und dass die Bestrebungen ernsterer Künstler-
naturen, welche mit umfassenderem Studium dem handfertigen Vir-
tuosenthum zu steuern suchen, ihre verdiente Anerkennung nur in
engeren Kreisen finden und in ausgedehnter Praxis sich nicht geltend
zu machen vermögen. Und es dürfte auch sobald keine Hoffnung
auf Umkehr sein, so lange das Getriebe im alten Geleise als national
und deshalb wie gerade jetzt als patriotische Pflicht gilt, beson-
ders aber so lange das im Gebiete der Malerei und Kunstindustrie
berechtigte Gefühl der Ueberlegenheit es nicht verstattet, frische und
gesündere Impulse von aussen zu holen.
Der Vorzug der deutschen Architektur der Gegenwart beruht
aber auf doppelten Gründen. Erstlich auf besserer Tradition, wie sie
namentlich die Berliner-Schule der jüngsten Vergangenheit darbietet,
und wie sie auch mehr oder weniger in einigen andern deutschen
Städten vorliegt, dann aber auf umfassenderen Studien der Leistun-
gen aller hervorragenderen Culturepochen nicht blos von Seite der
Archäologen und Kunsthistoriker, sondern auch durch augübende