Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

und raffinirten Zartheit der römischen Schule und der kecken, fi-i- 
sehen Leichtigkeit der pariser unverkennbar genug, wobei immer die 
Erfindung der letzteren und die Ausführung der ersteren das eigent- 
liche Element bleibt. Doch ist auch nicht zu leugnen, dass der 
Franzose, wenn ihm auch der plastische Styl, vom idealen Stand- 
punkte der Kunst im Allgemeinen aus betrachtet, fehlt, doch den 
Styl der Bronzebildung im technischen Sinne richtig und epoche- 
machend für die moderne Bronzeplastik erfasst hat. Im Ganzen liegt 
Lebensfähigkeit und Bedeutung entschieden mehr auf Seite der fran- 
zösischen als der italienischen Bildnerei, deren Routine hinter der 
geistvollen Lebendigkeit der ersteren für jeden zurückstehen muss, 
der vom Kunstwerke mehr als die Ausführung verlangt. 
Auch jetzt noch lassen sich die zwei Hauptgruppen der Classi- 
eisten und der Realisten unterscheiden, obwohl die erstere, ihrem 
Ende entgegen zu gehen scheint. Die Künstler dieser Gruppe stam- 
men zumeist noch aus den Ateliers von Pradier und Ramey, wie 
denn des ersteren Schule F. Ol. Moreau, K. M. A. Chapu, G. A. 
Crauk, Cl. J. Guillaume und J. L. Jlaillet angehören, während aus 
dem Atelier Ramey und dann Dzmnont, zu welchen verdienstvollen 
Lehrern noch Toussaint gezählt werden muss, E. Aizelin, H. Ch. 
rllaniglier, III. llloreau, J. J. Perraud und J. J. Salwzson hervor- 
gegangen sind. 
Allein ungleich_mehr Anziehungskraft übte die Realistenschule 
des Hauptes der modernen Richtung, des P. J. David dßingers 
1793-1856, welcher in der französischen Plastik vielleicht eine Rolle 
spielt, wie Delaroche im Gebiet der Malerei. Er hat den Typus der 
modernen Bildnerei festgestellt und ist in seiner treuen und die Ueber- 
treibungen seiner Epigonen vermeidenden Naturauffassung ohne Ver- 
nachlässigung der Grösse der Erscheinung wahrhaft rühmenswerth. 
Von seinen Schülern sind Carrier-Belleuse, P. J. Cavellier, P. Leisen, 
E. H. Maindron, F. IlIicheZ-Pascal, A. Millet und E. Montagny her- 
vorzuheben, während sein Richtungsgenosse Fr. Bude (1784-1855) 
einen E. Främiet, V. E. G. Gastow-Guittoiz, H. F. Iselin, J. E. Mar- 
cellin, L. Schroeder und den begabten, erst kürzlich verstorbenen 
J. B. Carpeaux zu seinen Schülern zählen darf. 
Nur selten erscheint jedoch in der französischen Plastik der 
Realismus in jener fast erschreckenden Ausschliessung aller idealen 
Schönheit, wie sie die Malerei angestrebt hat. Die Gallerie des 
Reber, Kunstgeschichte. 43
	        
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