Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

quickend weil ohne den Beigeschmack a la Greuze, aber auch von 
einer in Deutschland nicht erreichten Delicatesse und Vollendungz 
Häufig wird auch Thierdarstellung mit dem Kindergenre in Verbin- 
dung gebracht, wobei dann gelegentlich der in der Thierdarstellung 
immer auftretende Realismus auch zu den Kindergestalten hindurcl1- 
dringt. Als das Haupt dieser Realisten ist der Genuese Gi7iil. Jlonte- 
werde zu nennen, welcher ausser seinen reinen Kindergruppen in 
seinem vJenner den ersten Impfversuch machende in drastischer und 
momentaner Wahrheit vielleicht am weitesten von allen europäischen 
Bildhauern gegangen ist. An ihn reihen sich die Mailänder Pasch. 
rldiglioretti, Ghil Buzzi und L. Pagani und in weiterem Stoifgebiet 
P. Calvi aus Mailand und S. Gi-ita aus Florenz, der Römer Eng. 
Castellczni, der Neapolitaner Em. Frrmcesclzi u. a. Alle aber überragt 
der talentvolle Gius. Duprä in Florenz, dessen Energie, wie sie z. B. 
seine Pieta erkennen lässt, vielfach an Micheangelo gemahnt. 
Trotz solcher realistischer Versuche ist doch das Porträt in 
Italien durchgängig schwach, so dass nur wenige Ausnahmen wie 
etwa einzelne Arbeiten von Boggio, Vela und JIai-cello namhaft zu 
machen wären. Dagegen ist das Thierstück wahrhaft wunderbar 
cultivirt worden, namentlich als Folie technischer Meisterschaft, wobei 
fast unglaubliche Schwierigkeiten der Meisselarbeit überwunden er- 
scheinen. Die Mailänder Eizr. Braga, Alex. Crmti und Airaghi wie 
der Römer G. Lombardi haben auch in den Augen vieler mit ihren 
dem Thierbilde angehörigen technischen Bravourstücken geradezu 
die Palme unter ihren Kunstgenossen geerntet, und zwar in Anbe- 
tracht dessen, dass die Virtuosität der Mache im Ganzen und Grossen 
Hauptverdienst der italienischen Bildhauer, nicht ohne Grund. 
Wesentlich anders ist der Charakter der modernsten Plastik in 
Frankreich. Setzen die Italiener ihre Kunst in die Ausführung in 
Marmor, so bleibt sie in Frankreich beim Modell und zwar in ziem- 
lich skizzenhafter WVeise stehen; bevorzugen jene den Marmor, so 
erscheint bei den Franzosen die Bronze im Uebergewicht; klammern 
sich die Italiener an ihre classicistische Tradition, so huldigt das 
gallische Modellirholz nicht minder der Realität als der französische 
Pinsel. Fehlt es daher den Italienern an individuellem Leben, so 
fehlt es den Franzosen an plastischem Styl, und folgerichtig jenen 
an charakterischem Ausdruck wie diesen an Beherrschung desselben 
vor karrikirenden Excessen. Auch ist der Gegensatz der subtilen
	        
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