Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

land der Fall ist. Und doch ist in Anbetracht der Hilfsmittel Mai- 
lund an Antiken empfindlich arm im Vergleich zu dem unerschöpf- 
lichen Borne der besten Vorbilder in Rom, dass man glauben möchte, 
ein mailändisches Studio könne nie mit einem römischen in Goncurrenz 
treten. Allein nicht Phidias, sondern Canova ist der Ausgangspunkt 
für die moderne italienische Plastik, und die hellenische Antike scheint 
in der That nur für die nordischen Künstler vorhanden zu sein. Weit- 
aus der grösste Theil aller modernen Bildhauer Italiens darf geradezu 
als Canovals Schule bezeichnet werden, und tiefer liegende Unter- 
schiede als die eines etwas ungleichen Grades von Geschicklichkeit. 
dürften bei den Römern Leop. Ansigliovzi, E.'Baratta, A-nt. Botfinellz", 
Franc. Fabj-Alt-ini, Stef. Galletti, Virnc. Luccardi, L. v. Jllajoli und 
vielen anderen, von welchen Bob. Bompitrni und G. B. IJOHlbÜÜYIi 
besonders hervorzuheben sind, so wenig zu finden sein, als bei den 
bllailändern P. Beruusconi, Cost. Corti, Gius. Croff, P. Gmzrnerio, 
M. lllotelli und anderen, unter welchen Wieder In. Fruccaroli, Am. 
Tanturdini und P. Jlcrgni hervorragen. Wir finden hier zumeist die 
unwahre Grazie des Gestus, die überzierlichen Finger und namentlich 
kussfordernden, dafür aber ihre Bestimmung kaum erfüllenden Füss- 
chen, wie sie Canova in die Bildnerei gebracht, Köpfe, welche bei 
völliger geistiger Leere höchstens einen Anflug von Lüsternheit 
haben und in diesen eine schuzache Spur von Correggids Jo- und 
Ledagestalten verrathen: unerträglich in allen historischen oder der 
Dichtung entnommenen Gestalten, wobei Bezeichnungen wie Julia, 
Lady Macbeth, Desdemona u. s. w. wahre Frivolitäiten sind. Allein 
immer ist die Sicherheit der Hand und des Meissels und die tech- 
nische Vollendung zu bewundern, anderseits aber auch der Schwung 
und Fluss der Linien, im Nackten sowohl wie in der Gewandüng. 
Nicht selten erhalten dann diese Werke durch realistisch voll- 
endete Durchführung der Getvandung eine eigenthümliche Würze und 
das gleichwohl Ideale des Nackten einen raffinirten Reiz. Die Römer 
Ant. Bossetti und Gio. Bigg-i, wie die Mailänder G50. Sperma! und 
Aug. Binlla excelliren in lesenden, briefschreibenden und sonst be- 
schäftigten Backüschchen im Hemd, das mehr oder weniger verhül- 
iend und bis auf die Naht naturgetreu, auch den Idealkörpern den 
Schein der Naturunmittelbarkeit giebt. 1m Vergleich damit ist reines 
Kindergenre wie von den Römern Ferd. Amlrei und G50, Cgngsegt; 
oder den lllailiindern Ra-im. Prrcrla und Fr. Barznglri wahrhaft er-
	        
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