stellen. Ich will nicht davon sagen, dass wohl noch Niemand daran
gedacht hat, Raphael zu tadeln, weil er in der Grablegung Christi
einen Leichnam dargestellt; denn wir kämen inis entgegengesetzte
Extrem und verglichen den Sohn Gottes mit den niederländischen
Grafen; aber halten wir Martyrei" gegen Martyrer, so hat noch Nie-
mand die Leiche eines christlichen Blutzetigen in der Kunst perhor-
FßSCiFi- Und beäagcn denn diese Leichen nichts? Sie schienen mir
eindringlicher zu reden als manche pathetische Figur mit erhobenen
Armen und geöffnetem Munde und ihre stummen Lippen schienen
dem Volke zu verkünden, dass es zum Aeussersten gekommen und
die Bedrückung nur mit der aussersten Anstrengung abgewehrt
werden könnte. Moderne Kritiker haben dargelegt, welchen anderen
Moment der Künstler hätte wählen sollen und empfohlen, dem Dichter
(Goethe) nachzudichten. Doch was sollte Clärchen dem Volke, das
der völligen Unwahrheit dieser uns so lieb gewordenen Gestalt sich
bewusst und mit Fug vielmehr dessen Gemahlin Sabine von der
Pfalz im Gebete für das edle Haupt dargestellt hat. Oder hätte
vielleicht in einer Gedichtscene eine Rede oder in einer Abschieds-
scene ein Meer von Rührung oder in dem Gang zum Schaffot eine
noch ungleich grauenvollere Scene dargestellt werden sollen! Jeden-
falls wäre auch der Künstler dem Momentanen eines solchen Stoffes
nicht gewachsen gewesen. Hier war die Zuständlichkeit und aussere
Ruhe, wie er sie nach dem oben Dargelegten brauchte. um die con-
stanteren Empfindungen der Lebenden erfassen, mit dem bleibenden
Ausdruck der Toclten in Rapport setzen und seine coloristische
Technik entwickeln zu können.
Auch sonst war Gallait am glücklichsten, wenn er sich an StOffQ
hielt, die ein mehr zuständliches Pathos beherrschte, welchem 81' als
länger anhaltend näher zu kommen vermochte. S0 in den bedeut-
samen Gegenstücken Egniont am Fenster des Gefängnissest)", durch
welches eben der verhängnissvolle Morgen hereindämmert und Alba
am Fenster während der Hinrichtung der beiden Grafen M). Seinem
Pinsel nicht minder entsprechend war das Bild sJohanna von Spanien
bei der Leiche ihres Gemahls Philipp des Schönenßft), in welchem
ä") Von 1848. In der Nationalgallerie zu Berlin.
M) In der Sammlung des Grafen Redern in Berlin.
"Ü Im Haus im Busch bei Haag und im Palais Ducal
ZU
Brüssel.