Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

heit und dem classischen Styl, vorbei mit dem regelrechten 'l'ypi- 
siren, mit den Studien nach Poussin und Claude, wie mit der An- 
regung aus Theokrit und Xiirgil, und selbst der bisherige Born der 
landschaftlichen Studien, Italien, verlor Anziehungskraft und Zauber 
verglichen mit der Anregung des Heimatlandes und der tropischen 
Länder. Der Heimat hatte sich zuerst die Romantik bemäichtigt 
und den sogenannten Paysage intime geschaffen, von welchem, wie 
von dessen Hauptvertretern J. Duprä und Th. Rousscaizz schon früher 
(S. 294) die Rede gewesen ist. Zwar hatte auch Frankreich durch 
den modernen Glassicismus Ingres' angeregt den Versuch gemacht, 
die classische Landschaft zu rehabilitiren, allein ohne an sich grosse 
Erfolge zu erringen. Doch war die Rückwirkung nicht zu verachten, 
welche dadurch auf die Realisten und Stimmungsmaler ausgeübt 
wurde und welche der bei Delaroche im Felde der Historienmalerei 
besprochenen durchaus analog ist, wenn auch dort der idealistische 
Einfluss gewichtiger war, als im Gebiete der Landschaft. Es war- 
indess immerhin wohlthiitig, dass der etwas wüsten Entwicklung des 
realistischen Stimmungsbilrles eine Schranke gesetzt ward, indem sich 
ein gewisses ideales Element verbunden mit etwas mehr Formgebung 
geltend machte. Grosse Auffassung und Formenschönheit war auch 
mit aller Realität der Behandlung und mit poesievoller Stimmung 
wohl zu vereinbaren, da es ebensowenig nöthig war zur Erreichung 
packender Realität den kümmerlichsten Erdausschnitt zu wählen als 
zur Erlangung einer auch dmch ihre Gestaltung fesselnden Landschaft 
auf die Realität der Erscheinung zu verzichten. Was daher Dela- 
roche für die Historienmalerei, das wurden P. Marilhat, 1811-1847 
und C. Corot, geb. 1796, für die Landschaft. 
Der Gegensatz gegen die däimmerige Unbestimmtheit der Roman- 
tiker wie gegen die pralle und grelle Lichtwirkung der reinen Colo- 
risten a la Decamps war immerhin fühlbar genug. Ein gleicher 
Sinn für Form, Farbe und Licht belkrrschte die Meister: sie sahen 
nicht mit halbgeschlossenen Augen und in gleichsam triiumerisclier 
Phantasie, sondern ergossen ein taghelles klares Licht wie dieSonne 
selbst nicht blos strahlweise, sondern voll und ganz über die Land- 
schaft. Es war nicht mehr jenes blendende Licht, welches Form 
und Farbe verzehrend in dem magischen Gegensatz gegen breite 
Schatten sein fesselndes Ziel fand, sondern jenes die Farbe harmo- 
nisch entfesselnde Lichtmeer, welches die Landschaft vorher über-
	        
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