Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

1823) keineswegs vortheilhaft von Delaroche ab. Vergeblich wähnten 
sie durch tiberlebensgrosse Gestalten einen monumentalen Eindruck 
zu erzielen, und wenn sie ihn durch eine frescoartige Farbengebung 
zu steigern suchten, so verfielen sie in ein kreidig-milchisches oder 
rosiges Golorit und opferten gerade das Beste, was vordem die 
französische Kunst errungen hatte, nemlich die farbensatte Kraft und 
'l'iefe der malerischen Erscheinung. Noch schlimmer, wenn, wie seit 
dem zweiten Kaiserreich in einer Fluth von Bildern und von einer 
ansehnlichen Reihe geschickter Hände angestrebt wurde, die reine 
Morlellnacktheit in kaum merklicher Idealisirung unter dem Namen 
irgend einer Gottheit oder Allegorie in den Salon und Markt kam, 
Wobei dann am liebsten frühjugendliche Unreife auf die allgemeine 
Blasirtheit jenen Reiz ausüben sollte, den einst wie neuestens Greuze 
in gleicher Absicht nicht verfehlt hat. Oder wenn, wie diess durch 
die Decoration der Gemächer der Kaiserin eine Art von officiellei- 
Anerkennung gefunden hat, die Künstler angewiesen und bestärkt 
wurden, geradezu auf den wstyle BOIJCIIBIRc zurückzugreifen und die 
Anschauungsweise des Rococo mit moderner Behandlung mehr oder 
Weniger zu verbinden, wobei die monumentale Kunst jedenfalls mehr 
verlor als die decorative gewinnen konnte. Leider haben sich beide 
Richtungen einer so entschiedenen Vorliebe zu erfreuen gehabt, dass 
vereinzelte Versuche, auf Grundlage der Vorbilder des Cinquecento 
eine heilsame Reaktion zu erwecken, wie von Th. Moreau und P. Paris 
de Chacamzes, erfolglos blieben. 
Ein schrofferes Gegenbild gegen diese trotz aller künstlerischen 
Parfüms moderige Idealkunst konnte es jedoch nicht geben als die 
epochemachenden Leistungen der Realisten des zweiten Empire. 
War dort die Ueberfeinerung und Raffinirtheit des vornehmen Luxus 
auf einen beinahe unerträglichen Grad gesteigert, so suchte der Rea- 
lismus die Niedrigkeit mit einer an Rohheit streifenden Härte wieder- 
zugeben. An den Ufern dieses breiten Armes des französischen 
Kunststromes standen Armuth, schwere erdrückende Arbeit, Häss- 
lichkeit, Verknöcherung, Herzlosigkeit und Gemeinheit. Nicht blos 
die Menschheit im Allgemeinen, wie sie der Realismus eines Gericault 
über die Alleinberechtigung classischen wie höfischen Privilegiums 
zur Darstellung in der Kunst erhob, sondern der Gegensatz gegen 
alles durch Geburt und Glück Bevorzugte, der Gegensatz gegen 
Schönheit und Wohlleben sollte nun seine Vertretung finden nass
	        
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