an die Stelle der typischen Verallgemeinerung die Charakteristik des
Einzelnen in seiner realen Erscheinung getreten. Die Wirkung und
Herrschaft des Moments drängte sich vor dem Universellen, Tradi-
tionellen und Gesetzmässigen in den Vordergrund. Dabei wird die
Schönheit der Gestalt wie der Rhythmus der Gruppe werthlos ver-
glichen mit der Wirkung der Stimmung, dem Grauen, Entsetzen oder
der sonstigen seelischen Theilnahme, welche der Beschauer dem lei-
denschaftlichen Ringen der Dargestellten entgegenbringen muss.
Demzufolge verliert mit der absoluten Schönheit der Form die Form-
gebung, nemlich Zeichnung und Modellirung selbst ihre Bedeutung
und wird in demselben Masse vernachlässigt, als das Colorit gewinnt.
Der gleiche Umschwung war auch im Gebiete der Dichtung vor-
gegangen. Die Grenze, welche das Schöne der Kunst setzt, wurde
auf allen Gebieten überschritten. aEs giebt keine Grenzen in der
Kunstß ruft V. Hugo aus, wAlles ist Gegenstand, Alles geht in den
Rahmen der Kunst, Alles hat in der Poesie sein Bürgerrecht!
Das Hässliche soll mit dem Schönen, das Unförmliche mit dem
Anmuthigen, das Groteske mit dem Erhabenen sich verbindenß
Wie aber in der Poesie diess Programm an die Stelle der strengen
Kunstform die Lebendigkeit und packende Wahrheit der Darstellung
setzte, und an die Stelle der idealen Ferne und Allgemeinheit des
Umrisses die unmittelbare Nähe und anschauliche Besonderheit, so
verlangte auch die Malerei statt der traditionellen Idealität von Form,
Composition und Ausdruck dieselbe Realität und namentlich jenes
Mittel, durch Welches die Realität zum wirksamsten Ausdruck könunt,
nemlich die Cultivirung der Farbe.
In Bezug auf die der Wirklichkeit entsprechende Formgebung
hatte schon Gericault einen Riesenschritt gemacht; hinsichtlich der
Farbe dagegen war er bei ungenügenden Anfangen stehen geblieben
und zur Unmittelbarkeit ihrer Anwendung nicht durchgedrungen.
Hier hatte er die traditionellen Einflüsse der italienischen Natura-
listen (Caravaggio) und das Vorherrschen brauner Töne und schwerer
Schatten nicht zu überwinden vermoeht. E. Delacroix war zwar hierin
beträchtlich Weiter gegangen, stand aber noch lange unter dem
Einfiusse älterer Meister, namentlich eines Rubens und Paolo Vero-
nese. Erst seit er (1831) die Gesandtschaft begleitet hatte, Welßlle
Louis Philippe an den Kaiser Abderrhaman von Marocco abgehen
liess, hatten die Eindrücke der orientalischen Natur, deren Studium