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Deutschland.
Gottf.
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mach Wien berufen werden war, hat leider manche Verzögerung;
erfahren müssen; doch scheinen jetzt die hauptsitchlichsten Hinder-
nisse überwunden zu sein. Möge es dem greisen und verdienten
Künstler vergönnt sein, die Vollendung dieser Werke zu erleben,
welche nicht verfehlen werden, in Wien und selbst in Deutschland
ein bedeutsames Gegengewicht gegen architektonische Entartung und
Verwiltlerung zu bi1den_
Vergleicht man die architektonische Entwicklung der deutschen
Hauptstädte in dieser Periode in Bezug auf deren Abschlus, so wird
man die Grenzlinie zwischen derselben und der unmittelbaren Gegen-
wart nur an Wenigen Stellen entdecken. In Berlin namentlich
erscheint die Bauthätigkeit im Flusse einer ununterbrochenen Tradi-
tion, während in Wien der Aufschwung der Gegenwart zum Theil
als eine zeitliche Verschiebung; und verspätete Entwicklung zu be-
trachten ist. Wenn aber auch der Eintritt der neuen Epoche in
München allein deutlich sichtbar und die ältere Periode von den
Schöpfungen der Gegenwart leicht zu unterscheiden ist, so ist doch
bei näherer Betrachtung auch an den übrigen Kunstplätzen der neue
Geist nicht zu verkennen. Denn während in der eben behandelten
Periode analog der übrigen Kunst eine historische Tendenz vor-
herrscht, welche zu möglichst engem Anlehnen an Vorbilder des
Alterthums und Mittelalters drängt, und den Baukünstler lieber mit
Zweck und Bedürfniss als mit der durch Vorbilder zu helegenden
Mustergültigkeit in Conflict kommen lässt: trägt die Gegenivart wie
in der Malerei so auch in der Architektur das charakteristische
Gepräge der Unmittelbarkeit und Individualität, und zwar unbeein-
trächtigt von der erwählten Lieblingsgrundlage, der Kunst der Renais-
sance, welche vielmehr, ohne kanonische Constructions- und Plan-
Zwang wie sie ist,_ die Freiheit am meisten begünstigt und Selbäl
der Antike wie den mittelalterlichen Stylen gegenüber an sich spezi-
fisch modern ist.