Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

dem deutschen Mittelalter wie der deutschen Renaissance gründlich 
gram war. Leichter noch mochte er sich mit Byzantinismils zu- 
rechtfinden, wie denn die zum Residenzcomjilex gehörige und 1837 
vollendete Allerheiligenkirche, combinirt aus der Capellai laalatina zu 
Palermo, in welcher der König den Beschluss zu diesem Werke 
gefasst hatte, und aus S. Marco in Venedig, sogar zu seinen gelun- 
gensten Schöpfungen gehört. 
Während aber alle diese Werke emporstiegen und München in 
eine bauliche Thätigkeit versetzten, wie sie seit Gründung der Stadt 
nicht vorhanden gewesen war, reifte auch der Plan zu der Lieblings- 
schöpfung des Königs, zu welcher er schon 1806 in denjTagen der 
tiefsten Erniedrigung Deutschlands in jugendlicher Begeisterung den 
Beschluss gefasst hatte, und welche er sich von vorneherein in der 
Gestalt eines der (lorischen Tempel Unteritaliens oder Siciliens 
gedacht hatte, nemlich zur Walhalla. Es lag freilich ein so grosser 
innerer Widerspruch in dem Gedanken, einen Tempel deutscher 
Grösse, welcher die Marmorbildnisse der berühmtesten Träger der- 
selben enthalten sollte, in der Form eines hellenischen Tempels her- 
zustellen und denselben neben die mittelalterliche Burgruine von 
Donaustauf bei Regensburg, den die Sage zum Lieblingsschlosse der 
alten Agiloltinger wie der deutschen Carolinger gemacht, zu setzen, 
dass der Kronprinz selbst, nicht unberührt von der mittlerweile ein- 
getretenen romantischen Strömung i. J. 1820 daran war, den helle- 
nischen Tempelplan mit einem romantischen zu vertauschen. Allein 
sein vorwiegend classischer Sinn, der überdiess von seinem Archi- 
tekten genährt ward, liess ihn wieder auf die ursprüngliche Idee 
zurückkommen und 1830 ward der Grundstein zu dem Gebäude 
gelegt, das 1842 eröffnet werden konnte. Heutzutage würde die 
Herstellung eines dorischen Peripteros keine künstlerische That mehr 
genannt werden können und selbst bei der in jener Zeit noch minder 
sicheren Archäologie der Baukunst musste das Hauptverdienst weniger 
auf die gediegene Imitation griechischer Vorbilder im Aeusseren als 
vielmehr auf die prachtvolle Entwicklung des Innenraumes mit den 
verglasten Hypäthren gelegt werden. Mit diesem Werke war der 
Höhenpunkt des reinen Classicismus erreicht, zu welchem sich die 
gleichfalls im dorischen Style ausgeführte bayerische Ruhmeshalle 
(1843-1853) bei München mit dem schon erwähnten Coloss der 
Bavaria, die man sich nur statt auf dem jetzigen verlorenen Posten
	        
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