bei Potsdam ein Werk ersten Ranges hin, welches dem berühmten
Jugendwerk gleichen Inhalts von Michelangelo an Bedeutung; weit
näher kömmt, als Rauclfs Moses der bekannten Haupttigui" am
Grabmal Julius II. in Rom.
Nicht immer zwar erreicht Rietschel den monumentalen Schwung
und die classische Geschlossenheit seines Meisters Rauch; dafür ist
ihm jedoch anmuthvolle Empfindung und eine manchmal ans" Ro-
mantische streifende Poesie im höheren Grade eigen als dem Heros
der modernen Plastik in Berlin, eine Gefühlswärme, neben welcher'
der philosophische Geist Rauclrs nicht selten kalt erscheint, wie
immer Denken neben Empfinden. Die Gestalten Rauchs nament-
lich aus seiner späteren Epoche erwecken als Charaktere durch und
durch Ehrfurcht und Bewunderung, die Rietschels Sympathie, und
wo der Gegenstand diese weniger einflössen kann, erscheint der
Meister nicht ganz in seiner Sphäre. Daher bewegt sich Rauch
am leichtesten im Gebiet des Sieghaften, der Könige, Helden, Vic-
torien u. s. w., während Rietschel nicht den Königsdenkmälern,
sondern dem mehr Pathetischen, den Dichtern und den Gebilden
der Dichtung seinen Ruhm verdankt..
Dieser Gegensatz äussert sich auch und zum Theil noch deut-
licher in der Schule Rietschels. Zwar hatte Ernst Hähnel, geb. 1811
zu Dresden, vorerst andere Einflüsse erfahren, indem er nach vor-
ausgängigen architektonischen Studien in Italien Michelangelo nach-
gegangen war und dann in dreijährigem Aufenthalt zu München sich
an Schwanthaler, Cornelius und Genelli angeschlossen hatte. Allein
wenn auch dadurch seine Anschauung weniger modern als die
Rauch's und RietschePs sich gestaltete und das Uebergewicht der
Classicität ebenso entschieden hervortrat als bei Tieck in Berlin, so
drang doch das sympathische Element RietschePs sofort auch durch
die classicistische Rinde und belebte den Idealismus des Künstlers
vorwiegend nach der Emptindungsseite. Schon 1840 feierte Hähne]
seinen ersten und vielleicht grössten Triumph mit dem herrlichen
Bacchusfries an der Elbseite des Dresdener Theaters, der zwar mit
dem letzteren vor seinen Augen in Schutt gesunken, aber in Abgüssen _
erhalten und in diesen dem Studium und Genusse sogar zugänglicher
ist, als er in der verlorenen Sandsteinausführung gewesen. Der
Fries gehört zu den wenigen classicistischen Werken, bei welchen
nicht die gleichwohl hinreisscnde Schönheit der Formen und Be-