Gähnen der Ermüdung nach dem langen Festspiel, dem Rückzug
von dem glänzenden Balle, dem geringschätzigen Abwerfen der präch-
tigen Toilette zu vergleichen. Er muthet uns an, wie die traurigste,
todteste Zeit der Nacht in den fröstelndcn Stunden vor der Morgen-
röthe, jene Lücke zwischen dem Kerzenschimlner und dem wieder-
beginnenden Tage. Bringen wir seine Erscheinung in Zusammenhang;
mit der politischen Geschichte Frankreichs, so verdüstert sich nur
noch der Eindruck und er gleicht noch mehr einem hoffnungslosen
Siechthum nach langer Schwelgerei, vielleicht ebensolang, wenn es
nicht gewaltsam abgekürzt neuen Principien den Schauplatz über-
lassen musste.
Die wuchernden Elemente des Rococo wurden nämlich mit dem
Regierungsantritt Ludwig XVL abgeschnitten, ohne durch neue er-
setzt zu werden: Die Locken fallen und der Schädel bleibt kahl,
oder sie werden eingeschnürt in erstickende Enge. Der Zopf ist
ein so sprechendes Bild auch der künstlerischen Verhältnisse dieser
Zeit, dass der Name des Zopfstyls durch keinen passenderen ersetzt
werden könnte. Ueberall Schmucklosigkeit oder wenigstens Knapp-
heit, Straminheit ohne freie Kraft, Reglement ohne Phantasie und
Erfindung. Daher die Kälte aller Kunstproduktion in diesen Jahr-
zehnten und vorab der architektonischen. Man ringt nach einem
neuen Tage, in Frankreich selbst auf Kosten blutigen Thaues. Mitt-
lerweile jedoch verliert Frankreich, welches nunmehr ganz in seiner
politischen Mission aufgeht, die künstlerische Hegemonie, um ein halbes
Jahrhundert in diesem Betracht nur mehr die zweite Stelle einzu-
nehmen neben dem nach langer Passivität endlich zu bahnbrechender
'l'liatigkeit sich aufraffenden Deutschland.
Ehe wir jedoch der Betrachtung der deutschen Kunst vor diesem
Autsclnvtmg vom Anfang des 18. Jahrhunderts bis etwa 1770 uns
zuwenden, müssen wir noch einen Blick auf die Kunstzustände der
übrigen mit einiger künstlerischen Selbständigkeit auftretenden Völker
Europafs werfen. Der ganze Osten war noch gleichsam unerschlossen:
Ungarn und Polen, welche gegenwärtig mit so glänzenden Er-
folgen in die Kunstbewegung Europas eingetreten sind, verhielten
sich im 18. Jahrhundert entweder theilnahmslos oder gingen ohne
alle Selbständigkeit in französischem Gängelbande. Völlig kunstlos
oder was gleichbedeutend, die künstlerischen Culturgegenstände noch
aus dem veralteten Fond der byzantinischen Tradition beziehend,