durch den Reichthuin der Erfindung und die keineswegs tadelns-
werthe Mitte zwischen rein historischem Vortrag und idealer Alle-
gorie. Es sollte nicht eine historische Scene, sondern ein welt-
geschichtlicher Vorgang, nicht ein momentanes Ereigniss, sondern
eine Darstellung der hier zum endlichen Gonflict gekommenen Gegen-
sätze, eines epochemachenden Abschnittes mit seinen hauptsächlichen
Consequenzen sein. Das rein Historische ist daher mehr in den
Hintergrund gedrängt, einerseits das einziehende Römerheer mit dem
Imperator an der Spitze, anderseits der brennende Tempel mit den
trotzenden israelitischen Führern. Titus erscheint nur als das Organ
der himmlischen in der Glorie über dem Vorgange schwebenden
Bilüchte, unter deren Auspizien sich die Verheissung Christi von der
Zerstörung vollzieht. In der Mitte erscheint das Ende des alten
Bundes in der Besitzergreifung des Opferaltars durch die Feinde und
in der Person des Hohenpriesters, welcher, nachdem er die Seinigen
getödtet, den Dolch gegen das eigene Herz zückt, wie der verzwei-
felnde Scorpion im Flammenring seinen eigenen Stachel sich in die
Brust bohrt. Der Gedanke ist dadurch in ächt bildnerisch-künst-
lerischer Weise concret gemacht und die Allegorie durch das Haschen
der Sieger nach den händeringenden Töchtern Juda's, die der Hohe-
priester noch verschont. hatte, noch mehr in das Gebiet der Realität
gezogen. Auch sonst finden sich zahlreiche Bezüge: das durch die
Erfüllung der Verheissung siegreiche Ghristenthum z. B. wird in der
ausziehenden Christengruppe zur Rechten und das über die Erde zer-
streute Judenthum durch den enteilenden Ahasveros in der linken
Ecke repräsentirt. So ist die Composition sinnig und gross gedacht,
trotz der grösseren Symmetrie der Anordnung aber kaum von dem
Gleichgewicht der Hunnenschlacht, auch nicht von der zwingenden
Goncentration derselben; fühlbar zerfallt vielmehr das Ganze in ein-
zelne Gruppen und es tritt dadurch das Künstliche und darum Lose
der Verknüpfung Zu einem Werke noch auffälliger entgegen. Was
aber noch mehr: der ideelle Zusammenhang und Gehalt wirkt nicht
glaubhaft: es war dem Künstler nicht Ernst mit der himmlischen
Vision wie mit der Frömmigkeit der abziehenden Christen, und so
besteht die erste aus leeren Schemen, während die letzteren Griechen
sind mit angenommenen christlichen Mienen, zu denen taufeheischende
Ilioneuse die Hände erheben, so dass trotz der wunderbaren com-
positionellen und Formenschönheit dieser Gruppe doch der mit ihr