Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

Architektl 
in 
Italien 
und 
Frankreich. 
Draperien und Giebelschnörkel, überhaupt jener alle architektonischen 
Principien verhöhnende Rausch, wie er nun mehr als ein Jahrhundert 
die Architektur beherrschte und durch Borromini, Ber-ninfs jüngeren 
Zeitgenossen, noch höher gesteigert ward, förmlich canonisirt. Die 
Architektur war dadurch zu einem frivolen Spiel mit den traditio- 
nellen Formen geworden, denen man die tollsten Verbindungen auf- 
zwang, indem gerade das am genialsten erschien, was dem gesunden 
Sinne am meisten entgegen war. 
Je nachdem nun die von Italien ausgehenden Impulse verschie- 
denartig und zu verschiedenen Zeiten auf die übrigen europäischen 
Culturländer einwirkten, vollzog sich auch die Entwicklung der 
Renaissance-Architektur in denselben mannigfach. Fast allenthalben 
zwar hatte man nördlich von den Alpen mit der Aufnahme der- 
selben gezögert, bis der Styl in Italien in aufwärts steigender Linie 
zur Vollendung (Hochrenaissance) gediehen, und war inzwischen noch 
ganz bei der mittelalterlichen Architektur geblieben, während sich 
Malerei und Plastik etwas früher der neuen Sonne zugewandt hatten: 
in ähnlicher Weise wie einige Jahrhunderte vorher Italien die Gothik 
nur zögernd von den germanischen Völkern angenommen hatte. 
Dann aber ergriffen einige Nationen den neuen Styl mit grösserer 
Lebhaftigkeit und Hingebung als andere, indem sie sich der mittel- 
alterlichen Tradition gründlicher zu entschlagen wussten, während 
andere noch ein halbes Jahrhundert in einem Zustande des Schwan- 
kens verharrten, welcher nur die iiusserliche und stückweise Auf- 
nahme der neuen Elemente zu verstatten schien. 
Wie in der Plastik, so war auch in der Architektur Frankreich 
als der früheste Erbe Italiens von Bedeutung eingetreten. Die fran- 
zösische Frührenaissance des 1B. Jahrhunderts gestaltete sich jedoch 
anfangs ziemlich selbständig dadurch, dass sie gewisse mittelalterliche 
Elemente festhielt, wie statt des horizontalen, die Dachung" verber- 
genden Abschlusses das steile Dach, die zahlreichen Thürme und 
Erker, Plan und Aufbau der unteren Stockwerke u. s. w., während 
sie erst da, wo die italienische Architektur abschliesst, nämlich im 
Obergeschoss und in der Bedachung, ihren höchsten Reichthum und 
zwar in den Formen des neuen Styls entfaltet Denn die mit den 
Thurmüberhöbilligen in Zusammenhang gebrachten Dacherker (Lucar- 
nen), reichgeschmückten Schlote u. s. w. charakterisiren geradezu 
die Palastrenaissance Frankreichs dieses Jahrhunderts und verleihen 
Reber, Kunstgeschichte. 2
	        
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