Mageres, gesteigert durch das Knappe aller Gewandung, was dem
strengen Sinne des Meisters eignet und z. Th. noch aus seiner
romantischen Periode mit ihren flandrischen und präralahaelitischen
Reminiscenzen stammt. Man bringt jedoch nicht in Anschlag, wie
die momentane Bewegtheit der beiden nothwendig zum Vergleich
sich aufdrängenden Meisterwerke des Michel-Angelo und des Rubens,
dazu die gedrungen muskulöse Weise des erstem oder die üppig
fleischige des letztern das Urtheil des Kenners hierin nicht so unbe-
fangen sein lässt, als es die Selbständigkeit unseres Meisters verlangt.
Wie in Ansehung des Colorits das vielleicht einseitige Wollen des
Künstlers, so sollte billig auch hierin dessen eigenartiger Styl ebenso
in Rücksicht gezogen werden, Wie es bei Beurtheilung des sixtinischen
oder Rubensischen Weltgerichts von jedem Kunstfreunde geschieht.
Einem einzelnen Werke eines grossen Meisters gegenüber ist nur ein
relatives Urtheil gerecht.
Mehr Grund zu Aussetzungen ist durch die beiden andern,
übrigens ganz von Gehilfenhand ausgeführten grössern Wandgemälde,
Geburt und Kreuzigimg Christi gegeben. In beiden befand sich
nemlich der Künstler Weit Weniger auf dem ihm gemässen Boden,
welcher dem der Nazarener entgegengesetzt nicht in dem Empfin-
dungs- und Gemüthvollen, Wonnigen oder Leidenden, sondern in
charaktervoll kräftigem Denken, Sein, Wollen und Handeln besteht.
Die Darstellung von zartem Empfinden erscheint daher leicht leer
und starr, die von Leiden bis zur Verrenktheit übertrieben. Von
ganz besonderem Nachtheile für die Gemälde aber ist der Umstand,
dass sie statt sich cyklisch aneinander zu schliessen nicht bloss von
starken intensiv farbigen Ornamentstreifen romanischen Styls um-
geben sind, sondern an unvortheilhaft gefärbte und todt gemusterte
Wände stossen.
Die Riesenarbeit (das Chorgeniälde allein misst 2400 13') hatte
wieder ein Jahrzehent erfordert, in welchem der Künstler, wenn man
von den Skizzen für die Loggien der Pinakothek, denen er nur seine
Abendstunden und gleichsam die Erholungszeit schenkte, absieht, der-
selben ausschliessend oblag: Es Waren sonach zwei Decennien iin
Dienst des Königs vergangen, ohne dass in dieser Zeit dessen Gunst
sich gesteigert hätte. Im Gegentlieil, je mehr die Anerkennung im
Gestoche.
VOI]
Merz.