Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

conventionelle Gitterwerk sich hindurch zu stehlen suchten. Gelangte 
aber überhaupt, was der idealen Landschaft im Ganzen ferner liegt, die 
nördliche Natur zur Darstellung, so war sie nicht unmittelbar erfasst, 
sondern späteren Niederländern abgeborgt, oder es waren, wenn 
einmal die Wirklichkeit die Motive und Einzelheiten lieferte, die Be- 
standtheile zu einer im Sinne Goethe's sangenehmena Landschaft 
säuberlich zusammengestellt. (L. E. Watelet, 1780-1866.) 
England, das auch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr- 
hunderts durch R. Wilson und Th. Gainsborough in der Landschaft 
allein selbständig war, sollte endlich den Reformator über den Canal 
senden. Es war R. Bonington (1801-1828), ein Schüler Gros', 
aber mit Delacroix eng befreundet, und mit einer seltenen Vielseitig- 
keit ausgestattet. Er hatte in der nordischen Landschaft den Farben- 
zauber entdeckt, durch welchen auch das geringfügigste Motiv zum 
würdigen Kunstobjekt zu erheben war. Seiner Naturempfindung 
kamen zwar die Darstellungsmittel noch nicht ausreichend entgegen; 
es gelang ihm jedoch, sich auszusprechen und besonders den Fran- 
zosen die Zunge zu lösen. P. Huet, geb. 1804, t 1868, übertraf bereits 
die obengenannten deutschen Stimmungslandschafter Dresdens, die 
freilich ihre Richtung mehr als ein Vierteljahrhundert vor Huets 
erstem Auftreten begründet hatten, in technischer Hinsicht bei Weitem. 
Bei ihm ist jedoch die Charakterisirung von Tages- und Jahreszeiten 
noch immer die wichtigste Aufgabe, zur Individualisirung der Land- 
schaft nach tausenden von Empfindungsnuancen ist er nicht vor- 
gedrungen. Mehr gelang diess zwar L. Cabat, geb. 1812, doch als 
die Häupter der Stimmungslantlschaft können nur J. Deoprä, geb. 1812, 
und Th. Rousseau, geb. 1810, t 1867, gelten. Man nennt sie 
die Meister des aPaysage intimer, ein Name, der etwas pointirt, 
aber nicht unbezcichnend ist, wenn man bedenkt, dass es den 
Künstlern darum zu thun war, mit der Landschaft so innig vertraut 
zu werden, dass sie ihr geheimes Walten bis auf den Grund erfassen 
konnten. Denn nicht damit wollten sie sich begnügen, das wieder 
zu geben, was auch das stumpfe Auge an der Natur sieht und der 
Verstand unterscheidet, sondern das, was ein sinniges Gemüth beim 
Anblick empfindet und was nicht im Einzelnen, sondern im Ganzen 
liegt. Es ist das ungewisse verzitternde Spiel von Licht und Schatten, 
das gegenseitige Verhältniss der Lichttöne, das Feuchte und Dürre, 
die Frische des Morgens, die Schwüle des Mittags, das Schaurig-
	        
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