Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

keineswegs wie bei den Classicisten als eine selbstverleugnende 
Uebersetzung antiker Reliefbildung in Malerei, sondern durchdrungen 
von bewundernswerther Selbständigkeit und Originalität in Auf- 
fassung, Composition und Bewegung. Davon geben hauptsächlich 
die zwanzig Gemälde aus dem alten und neuen Testamente im 
Schiff von S. Germain-des-Pres Zeugniss. Grundverschieden von 
der Tradition der Schule des Masaccio wie der van Eyck's, schafft 
er gewöhnlich neue Typen von einfach grosser Wahrheit, freilich 
durch Verschmähen aller Füllfiguren und alles müssigen conventio- 
nellen Beiwerks manchmal bis zur räumlichen Leere streng. 
Kann man, wie oben erwähnt, Flandrin in gewissem Sinne und 
zwar zu seinem Vortheile Overbeck gegenüber stellen, so fehlte es 
in Frankreich auch nicht an religiösen Meistern, die man an Over- 
beck anreihen könnte. Es sind V. Orsel, A. Pärin und A. Roger, 
sämmtlich Schüler von david'schen Epigonen. Bei Orsel ist sogar 
von direktem Einfluss der deutschen Nazarener zu sprechen, welchen 
er dann seinen befreundeten Genossen vermittelte. Nur die etwas 
engherzige Abwehr der Antike nahm wenigstens Orsel von Over- 
beck nicht mit in den Kauf, wie sich denn die Cultur dieser über- 
haupt so in die ideale und religiöse Kunst Frankreichs hereinzogy 
dass die letztere nicht in dem vollen Sinne wie die der deutschen 
Nazarener in das Gebiet der Romantik gezählt werden kann. Die 
Chapelle de la Vierge in Notre-dame de Lorette, der Hauptschau- 
platz der auch durch ihre Sorgfalt an Overbeck erinnernden Meister, 
in welcher Orsel sechszehn Jahre bis an seinen Tod malte, und doch 
seinen Antheil (die lauretanische Litanei) noch unvollendet zurück- 
liess, giebt davon eine Probe, nicht allzuerfreulich durch den in 
derselben gelieferten Beweis, dass die Absicht Orsel's vdie griechische 
Kunst zu taufenc in harmonischer Weise zu erreichen wenigstens 
für unser Zeitalter eine Unmöglichkeit ist.  
Der exclusiv präraphaelitischen Richtung aber, wie sie nament- 
lich Perin und Roger in einer fast bis zur Harte zunehmenden 
Schärfe verfolgten, schlossen sich noch zwei Schüler von Ingres an, 
E. Amaury-Duval, welcher selbst die Schwächen der altitalienischen 
Kunst, besonders eines Fiesole, annahm und L. Mottez, welcher 
diesen an romantischer Alterthümlichkeit noch zu überbieten strebte 
und sich geradezu an Giotto anlehnte. Damit war auch der Archais- 
mus bis zum Anfang zurückgeschraubt, die religiöse Kunstrichtung
	        
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