die Natur mit Antike und Raphael zu verbinden, war keineswegs
neu; mehr als irgend einem anderen aber gelang es ihm, sich von
aller formalen Nachahmung seiner Vorbilder frei zu halten und an
diese sich mehr dem Geiste nach zu halten. Denn nicht Phidias
oder Raphael waren seine Grundlage, sondern die Natur, welche
jedoch der Künstler nach Anleitung jener Meister in das Reich des
Idealen erhob. Hatte David seine Modellstudien gleichsam auf den
Altar seiner römischen Vorbilder gelegt, so huldigte Ingres über-
wiegend der natürlichen Erscheinung, welche er jedoch im Geiste
jener Meister über die Realität zu erheben suchte. Von einer Be-
rührung mit seinen gleichzeitig in Rom thätigen deutschen Kunst-
genossen ist weder etwas bekannt noch ersichtlich; auch mochte ihm
weder der Präraphaelitismus Overbeclös noch die damals etwas
ungefüge Wucht eines Cornelius entsprechen. 1819 hatte er von
seiner vollendeten Richtung die ersten Proben nach Paris entsandt,
die sOdaliskec und die sBefreiung der an den Felsen geschmiedeten
Angelicatß"). Der romantische Stoff der letzteren War nebensächlich
und die Befreiung der Andromeda durch Perseus Würde sich kaum
wesentlich anders gestaltet haben; es handelten sich vielmehr um
Proben der Errungenschaften des Künstlers in der Formgebung.
Die zwei Gemälde gaben zwei weibliche Gestalten, in welchen der
Künstler lediglich das Möglichste in absoluter Formschönheit zu
leisten erstrebte.
Nach einigen Arbeiten aus dem Gebiete des geschichtlichen
Genre und der Poesie begann der Künstler mit einem vPGlPUS die
Schlüssel aus der Hand Christi empfangenda (1820) l") die Reihe
seiner religiösen Werke. Während nun hier und noch mehr in
seinem vGelübde Ludwig XIII. (1822)(( trotz der durchaus origi-
nalen Bedeutsamkeit dieser Werke der Einfluss Raphaels sich nicht
verleugnet, so tritt dafür in dem folgenden wder Gang des h. Sym-
phorian zum lllartyriunm (1834 nach neunjähriger Arbeit vollendet)
in der gallisch-barbarischen Umgebung des Proconsuls michelange-
leske Kraft an die Stelle classisch-griechischer Formen. Alle diese
Einflüsse sind jedoch so selbständig verarbeitet und so durch den
Im Luxembourg. Nr. 133.
H") Für S. Trinitä de Monti bestimmt,
Das erstere in der Kathedrale zu
drale zu Autun.
doch jetzt im Luxembourg. Nr. 132.
Montaulwan, das letztere in der Kathe-