Es liegt ausserhalb oder vielmehr vor unserer Aufgabe die Ursachen
zu untersuchen, aus welchen die deutsche Kunst der kaum erlangten
Selbständigkeit sofort wieder verlustig ging: doch darf abgesehen
von den politischen und Religionsverhältnissen Deutschlands daran
erinnert werden, wie schwer es zu entscheiden sei, ob in Dürer der
glänzende künstlerische Abschluss des Mittelalters oder der Bahn-
brecher der modernen Kunst überwiege, während selbst bei Holbein,
welcher doch sonst seinen grossen nürnberger Zeitgenossen an mo-
derner Auffassung und Formgebung überragt, der Abstand von van
Eyck bei weitem geringer erscheint als die Kluft, welche zwischen
den Begründern der Renaissance in Italien und einem Raphael und
Michelangelo augenfällig erscheint. Eine gedeihliche Fortentivicklung
der Dürefschen Richtung wäre daher nur genialen Kräften möglich
gewesen, welche den bei dem grossen Meister vielfach latenten Kern
geahnt und erfasst hätten, statt sich auf schulmässige und noch
nach der mittelalterlichen Anschauung schmeckende Formen und
Aeusserlichkeiten zu beschränken, welche Dürer erst in seinen letzten
Werken ganz abzustreifen vermochte. Holbein aber entzog sich zu
früh seinem Vaterlande, als dass er dort und wo wäre es nach
den damaligen Culturverhältnissen leichter möglich gewesen als in
Augsburg zu einer hedeutenderen Fortentwicklung hatte anregen
können.
Bei den Schülern und Nachfolgern der beiden grossen Meister,
wie auch bei denen des an sich weit niedriger stehenden Meisters
Cranach ist daher nur ein Rückgang ersichtlich, da sie weder eigenen
Genius noch Verstündniss von der bahnbrechenden Bedeutung ihrer
Vorbilder in die Wagschale zu werfen hatten. Dürers Schüler,
Hans v. Culmbach, Sehäutfelin, Altorfer, die beiden Beham, Alde-
grever und Penz erscheinen vielmehr noch mittelalterlicher als ihr
Meister, dessen Entivicklungsgang bis zu den Apostel- und Evan-
gelistentafeln sie nicht zu folgen vermochten; die Nachfolger Holbein's
aber, selbst die tüchtigen Amberger, Deutsch, Asper und der nach
gewissen Seiten hieher gehörige H. Muelich stellen sich im Ganzen
und Grossen doch nur mehr als Manieristen dar, ohne die Klarheit,
Wärme, charakteristische Schärfe und Sicherheit ihres Vorbildes
irgendwo zu erreichen. _
Die deutschen Künstler hatten sich daher schon in der nächsten
Generation, der zweiten Hälfte des 16- Jahrhunderts, nach Italien