Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

zu betrachten. Die beiden Schmalseiten des Saales mit den ent- 
sprechenden Gewölbtrapezen sind dann den Einzelaventüren der zwei 
Haupthelden gewidmet, die zur Linken denen Rolands, welchen die 
Liebe zu Angelika, die er in den Armen eines Anderen (Medors) 
gefunden, zur Raserei getrieben, und den zuletzt Astolf wieder zu 
Verstande bringt, die zur Rechten den Schicksalen Rüdigers mit den 
in dieselben verwebten Persönlichkeiten, während das Mittelfeld der 
Decken die Hochzeit Rüdigers mit Bramante verherrlicht. Erscheint 
damit die etwas chaotische Dichtung mit sgelehrteme Verständnisse, 
wie der Marchese sich äusserte, gruppirt, so wird doch der Eindruck 
des Reflectirten durch die naive Einfalt und Wahrheit der Darstel- 
lung ganz fernegehalten. Mit wunderbarem Geschick weiss der 
Künstler namentlich die anscheinende Ungunst der vieltheiligen Felder 
der Gewölbebildung nicht blos zu überwinden, sondern so zu seinem 
Vortheil zu kehren, dass die Festonumrahmung derselben weniger 
durch die architektonischen Formen als vielmehr durch die Gebilde 
selbst bedingt erscheint, so wenig erkennt man den Zwang, den die 
unregelmässigen Felderformen auf die Composition ausgeübt, an der 
letzteren selbst. Und trotz des gleichwohl unverkennbaren Einflusses 
von Benozzo Gozzoli stellt sich alles so frei von aller Gebundenheit, 
archaischen Härte und Studirtheit, so selbstverständlich und selbst- 
erfunden dar, dass der Beschauer mit Behagen und ohne Studium 
das Einzelne wie das Ganze zu geniessen und zu verstehen vermag, 
durch sich selbst befriedigend auch für den, welchem der geschicht- 
liche Vorgang nicht von vorneherein bewusst ist, als eine Romantik 
in Bildern, wie jedes echte Kunstwerk auch ohne Worte im Allge- 
meinen verständlich. Wer aber die Darstellung zu gehäuft und 
gedrängt findet, der kennt ebenso wenig den gehäuften Reichthum 
dieser Dichtung, wie derjenige eine Ahnung von den Anforderungen 
der monumentalen Kunst besitzt, welcher die sinnliche Gluth ver- 
misst, mit der Ariost nicht selten die Schranken der ritterlichen 
Sitte in ihrer ursprünglichen naiven Reinheit überschreitet. 
Doch ehe noch Schnorr zur Ausführung seiner Entwürfe schritt, 
war derjenige schon von dem gemeinsamen Unternehmen zurück- 
getreten, welcher die Seele der ganzen Unternehmung war, nemlich 
Cornelius. Sein Wunsch, seine Kunst dem Vaterlande weihen zu 
können, war mittlerweile nicht blos in Erfüllung gegangen, sondern 
hatte zu einem förmlichen Wettkampf um seinen Besitz geführt.
	        
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