Vertrauen das Haupt zu jenem wendet, um das Geheimniss zu ent-
hüllen. In der Jagdscene dagegen, in Welcher Siegfried den gefan-
genen Bären gegen die Köche loszulassen im Begriffe ist, scheitert
der Künstler wie früher in aAuerbaclfs Kellera an der echt alt-
deutschen Unfähigkeit, die komischen Elemente vor allzuderber Carri-
katur zu bewahren. Dafür entfaltet er seine ganze Meisterschaft
und Grösse in den beiden letzten Blättern. Eine riesigere Kraftgestalt,
wie der getroffene Siegfried, der von Hagen's Pfeil buchstäblich durch-
bohrt, den Schild fasst, um ihn dem fliehenden Gegner nachzu-
schleudern, ist von der Kunst wohl niemals geschaffen worden. Im
weiten Ausschritt der titanischen Beine, den Schild mit Armen
erhebend und mit Händen pressend, die ihn zu zermalmen drohen,
bedräut er den schnellfüssigen Verräther, der entschieden verloren ist,
und trotz seiner herculischen Gestalt den zornigen Schlägen des
Gewaltigeren erliegen wird, wenn der Lebensquell aus der Brust nicht
allzu mächtig hervorquillt. Wie selbst das herrliche Gewand
theilnimmt an der Erregung und sich gleichsam von einem Sturm
erfasst aufbäumt gen Himmel, so stürzt auch der Hund dem
Flüchtling nach in mörderischer Wuth. Und mit welch" edler Ritter-
lichkeit in der kraftvollen Miene wendet sich Volker ab von dem
Schauspiel, und wie erschreckt sucht der liebenswürdig herrliche
Geiselher Schutz bei dem Bruder! Auf dem letzten Blatt liegt der
Erschlagene vor der Schwelle der Kemenate seiner Gattin, noch im
Tode der Held, in mächtigen Formen schwer hingegossen in unver-
gleichlicher durch und durch wahrer Zeichnung der doch über-_
menschlichen Gestalt. Chriemhilde hat ihn vor den andern erkannt
und sofort den Zusammenhang errathen, und sinkt von der doppelten
Last des Verlusts wie des eigenen Verschuldens zerschmettert, ohn-
mächtig in die Arme der Dienerinnen. Neben der ausdrucksvollsten
empfundensten, wahrsten Geberde, neben der vollen Herrschaft über
die urkräftigen, titanischen Formen, erscheint ihm nun auch die
Schönheit des Linienflusses wie niemals vorher erschlossen, und der
Fortschritt ungeheuer, der zwischen Anfang und Ende des Nibelungen-
cyklus liegt. Dabei zwingt ihn das Uebermenschliche nicht, bei einer
gewissen skizzenhaften Unbestimmtheit (wie wir sie z. B. bei dem
Belgier Wiertz finden) stehen zu bleiben, es schwebt ihm vielmehr
50 klar vor der Seele, dass er die wvuchtigen Formen, Ohne ihre
einfache Grossheit irgendwie zu schädigen, in ruhiger Besonnenheit
Reber, Kunstgeschichte. 16