Volltext: Geschichte der neueren deutschen Kunst vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zur Wiener Ausstellung 1873

suchten, fast gänzlich gebrach. Die hingebendste, freudigste Ueber- 
Zeugung von der Wahrheit des Dargestellten erhöhte noch den Werth 
der spanischen Schöpfungen dieser Zeit und liess Gebilde entstehen, 
welche unter den ersten von allen Werken des Pinsels genannt 
werden müssen, wenn sie auch insgesammt von einer gewissen ein- 
seitigen Begränztheit nicht werden freizusprechen sein, welche den 
Ruhm _der spanischen Kunstblüthe nicht neben den der niederlän- 
dischen zu stellen verstattet. Das entlegene Spanien blieb übrigens 
seit es seine im 16. Jahrhundert behauptete Weltstellung eingebüsst 
hatte, auch in künstlerischer Hinsicht isolirter als die übrigen bisher 
genannten Kunstländer sammt Frankreich, und seine Rückwirkung 
auf diese war daher so unbedeutend, dass von einer wesentlichen 
Befruchtung derselben durch die spanische Schule kaum die Rede 
sein kann.   
Vergleicht man dagegen die niederländische Kunst des 17. Jahr- 
hunderts mit der gleichzeitigen Frankreichs, so scheint sich jene 
zu dieser zu verhalten wie ein Volksfest im höchsten Sinne des 
Wertes zu einem Hoffest. Während dort der Künstler in freier 
Selbstbestimmung jener Richtung und dem Gegenstande sich zu- 
wandte, wozu ihn seine Begabung drängte, wodurch die Mannig'- 
faltigkeit der niederländischen Schöpfungen wie deren Vollendung 
wesentlich bedingt war, wies hier das alle Kräfte beanspruchende 
absolute Königthum alles Schaffen in dieselbe Bahn, unbekümmert 
darum, ob gerade hierin der Einzelne auch sein Bestes zu leisten 
vermochte. Die Consequenzen davon waren, dass die Monumental- 
malerei in wahrhaft erschreckender räumlicher Ausdehnung fast aus- 
schliesslich gepflegt ward, dass diese einem doppelten Zwange sich 
fügen musste, nämlich dem königlichen Willen wie dem Raume, 
welcher geschmückt werden sollte, und dass demnach die Darstel- 
lungen nur mehr in geringem Zusammenhang mit der Ueberzeugung 
des Künstlers standen, und mehr zur Mache seiner Hand als seines 
Herzens herabsanken: niemals gross, sondern lediglich prunkend5 
leer, hohl und unwahr, statt ideal; schmeichlerisch, höfisch, statt in 
Wahrheit verherrlichend. Wie eben Ludwig des XIV. Grösse auf 
den Schein basirt war, so auch die Kunst seiner Zeit. Nicht unhe- 
deutende Talente mussten daher unter dem Drucke jener Geschraubt- 
heit untergehen, wenn sie Gelegenheit finden wollten, ihre Kunst zu 
bethätigen. Als vollentwickeltes Genie tritt uns daher nur ein Land-
	        
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