die er den Freunden aus dem deutschen Epos wie aus der Divina
Comedia hielt, den Anstoss gegeben. Selbst ein Overbeck konnte
sich damals dem Eintlusse dieser Wiedererweckung; der epischen
Literatur unter den deutschen Künstlern nicht entziehen, wie er bald
darauf durch seine Tasso-Compositionen gezeigt hat. Bei Cornelius
aber, dem die ritterliche Romantik seinem ganzen Entwicklungsgange
nach weit näher lag, als die religiöse, wirkte sie jedoch wvahrhaft
zündend. So stellte er sich zwischen Overbeck und L. Vogel, den
seine Heimat zu Darstellungen aus der Schweizergeschichte trieb.
In den Nibelungen hatte nun Cornelius nicht mehr zurückzu-
übersetzen wie in der von Goethe modernisirten Faustsage. Des
Künstlers Phantasie hatte damals die Scenen urwüchsiger, archaischer
gestaltet, als sie der Dichter gewollt, so dass schon desshalb Goethe
sich durch jene Illustrationen nicht ganz befriedigt fühlen konnte,
Wie sie auch in der That mit dem Gedichte sich keineswegs decken.
In den Nibelungen dagegen hatte er das romantische Original rein
vor sich, in ungetrübter Reckenhaftigkeit und schrankenloser Wucht.
Da brauchte er seine Gestalten nicht erst zu reconstruiren, denn sie
standen leibhaft schon im Gedichte vor ihm. Das was er vorher
nur ahnen konnte und mehr tastend fand, das schaute seine Phantasie
jetzt voll und ganz in dem poetischen Spiegelbilde. Das war der
erste und wohl gewichtigste Grund für die ungleich höhere Vollen-
dung und Harmonie des neuen Cyklus, wie für die weniger mühsame
Entwicklung von Goniposition und Gestaltung. Ein zweiter war die
reiche Uebung im Aktzeichnen, welche nun Cornelius mit den Genossen
von S. Isidoro ermöglicht ward und worin er, vorher entschieden
unsicher in der Formgebung, bald grosse Meisterschaft erlangte,
durch seinen Sinn für einfache Grossheit aufis förderlichste unter-
stützt. Ein dritter Grund war die begeisternde Nähe des Vatican,
der in Antike, Raphael und Michel Angelo Anregungen und Corrective
in unerschöpflieher Fülle gab.
So wenig jedoch Dürer in Venedig oder Rubens in Mantua den
Einflüssen der dortigen Kunst ihre Eigenart aufopferten, so wenig
eine Probe des wvahren Genie's legte sie Cornelius im Refec-
torium von S. Isidoro oder in den Stanzen wie in der Sixtina des
Vatjcan ab Er wollte nicht, dass sich der Inhalt seines Gegen-
standes einer bereits vorhandenen Form anschmiege und sich in
ein erborgtes Gewand kleide, sondern aus dem Gehalt heraus sollte