Die unklaren romantischen Bestrebungen in Dresden hätten der Ent-
wicklung Overbeckis vielleicht störender entgegengewirkt, als eine Schule,
die ihn zu entschiedener Opposition und zum offenen Bruche zwang,
wie es an der von Füger geleiteten Wiener Akademie, damals der
geschätztesten Deutschlands, geschah. Kaum hatte er nemlich diese
Schule, wo Vater Overbeck die technische Ausbildung und Vorbe-
reitung des Sohnes zum Studienaufenthalte in Italien am besten
besorgt glaubte, bezogen (1806), so wurde es ihm sofort klar, dass
die eklektisch imitatorische Weise, der mengsisch-davidische Forma-
lismus seinem Kunstideale nicht entsprach, Welches er höher setzte
als in technische Fertigkeit und akademischen Regelzwang. Es
widerte ihn an, dass die gewählten Gegenstände nur dazu da sein
sollten, dem angelernten Können als Gelegenheit zur Darstellung zu
dienen, ohne für sich Bedeutung in Anspruch zu nehmen, und ledig-
lich gewählt werden sollten, je nachdem sie sich zur Folie für vir-
tuose Wiedergabe formaler Schönheit und technischer Compositions-
wie Ausführungseffecte eignen Würden. Es war ihm unerträglich,
dass neben der Antike noch immer namentlich die Carraccisten als
niustergiltig zu betrachten sein sollten, welchen doch vorwiegend nur
formales aber wenig inhaltliches Verdienst zugeschrieben werden
könne. Es musste aber insbesondere seiner genialen Natur der
gesammte Schulbetrieb, das Zurückdrängen und Verdammen jeder
Eigenart, die uniforme Kunstdressur unleidlich sein und immer un-
leidlicher werden, je mehr er sich selbst fühlte und bewusst ward
zu Besseren1 berufen zu sein, als zum Mitglied einer gleichunter-
richteten gedrillten Schaar, in welcher jeder eigene Gedanke durch
Regelkram und Formenwesen erstickt war. Doch beugte er sich
lange unter das schwere Joch, das seinen Flug hemmte, nicht ohne
auch in technischer Hinsicht zu gewinnen, wie er namentlich in
diesen Jahren im Akt jene Sicherheit erlangte, die es ihm ermög.
lichte, mit der Feder fehlerfrei nach dem Modell zu zeichnen. Doch
sein eigentliches Kunstbedürfniss blieb ohne Nahrung, bis er im
Austausch mit einem gleichgesinnten Freunde Ersatz fand. vErsparen
Sie es mir,4( schreibt der junge Künstler im März 1810 an Kestner,
aeS Ihnen ausführlich zu schildern, wie die ersten Jahre meines
Hierseins verstrichen, wie ich unter Menschen, die ich weder achten
noch lieben konnte, in dumpfer Betäubung fortvegetirte und was ich
für ein Alltagsmensch ward auf dieser schulähnlichen Akademie;