gelesen habe, wenn gleich seine etwas freie Bearbeitung der Minne-
liedert), dieselbe, Welche J. Grimm auf sein so epochemachend ver-
tretenes Gebiet führte, W. Schlegel, der sie treuer und strenger
wiedergegeben wünschte, nicht entsprach. Dieser selbst hatte dem
Nibelungenliede ein viel gründlicheres Studium gewidmet und seine
Kenntniss der gesammten älteren Literatur Deutschlands bereits so-
weit ausgedehnt, dass er die seither üblich gebliebene Eintheilung
in vier Epochen, in die mönchische, ritterliche, bürgerliche und gelehrte
definiren konnte. Alles bestärkte ihn, wiederholt auszusprechen, wie
vortheilhaft jene Schöpfungen von den1 Unpoetischen der Gegenwart
sich unterschieden, und wie ungerecht es sei, das Ritterthum als
eine Fratze, die Scholastik als eine Barbarei, die Kreuzzüge und
Religionskriege als eine Widersinnigkeit zu verurtheilen. Mit zün-
dender Wärme vertritt er dann die ritterliche Welt, die Ritterehre,
die Frömmigkeit als Gefährtin der Tapferkeit, die ritterliche Liebe,
den Madonnencult u. s. w., und der Kreis seiner Zuhörer wuchs mit
der Wiedergabe der Dichterproben in annähernd moderner Sprache.
Eine solche Vorlesung gab die Veranlassung zu F. H. v. d. Hagen's
Herausgabe des Nibelungenliedes; noch wichtiger war aber der Ein-
druck, den jene Vorträge in allen gebildeten Kreisen hervorriefen.
Es war damit namentlich der darstellenden Kunst eine neue
unendlich reiche Stoffwelt eröffnet, welche sich daher nothwendig
von der banal gewordenen classischen Mythologie und Allegorie
abwandte. Die altdeutschen und romantischen Gedichte und Sagen
erfüllten mit frischem Interesse und es ist nicht zu leugnen, dass in
der Reproduction und Verdolmetschung des alten Schatzes ein viel
wichtigerer Hebel für die Umgestaltung der bildenden Ktmst lag,
als in den Neuproductionen des romantischen Kreises, wie z. B. in
dem damals grosses Aufsehen erregenden xOctaviana Tieck's. Unter
den Neuschöpfungen spielen kunstgeschichtliche Novellen und Be-
trachtungen wie die Schriften Wackenrodefs oder Tieck's Sternbald
die hervorragendste Rolle, indem sie namentlich das Interesse an der
Auffassung, Behandlung und Formgebung der älteren Zeit erweckten,
während sie hinsichtlich der Stotfwahl besonders zu christlichen
Gegenständen drängten, welche nun von dem classisch mythologischen
Tieck,
dem
8.115
Die Minnelieder
schwäbischen
Zeitalter.
1803.