Wackenroder gestellt werden muss. Er hatte sich kaum das Jawort
der jugendlichen schwärmerisch angebeteten Braut errungen, als er
sie, bald nach ihrem 15. Geburtstage, hinwelken sehen musste.
Jahre lange Seelenkämpfe drängten den Trostlosen wiederholt an die
Pforte freiwilligen Todes, bis er endlich in der Poesie die langsame
Heilung fand- Seine aHymne an die Nachta, jene unvergleichliche
Lyrik der Verzückung, der Schwermuth und des tiefsten Schmerzes;
sein Fragment der Lehrlinge von Sais mit dem entzückenden Märchen
von Hyazinth, seine tichtianisch philosophischen Fragmente bezeugen
die allmählige Genesung, bis endlich aus dem Verkehr mit Tieck sein
bedeutendstes Werk wHeinrich von Ofterdingenx entstand t). Er
wollte damit Goethe's Wilhelm Meister, den er wgewissermassen durch-
aus prosaisch und moderne fand, der ihm xOdlÖSa war, ein Werk
an die Seite setzen, in welchem die Poesie durch die Poesie nicht
vernichtet, sondern verherrlicht und verklärt werden sollte. Wie die
Welt am Ende Gemüth, so wird ihm Alles am Ende Poesie. sEine
absolut poetisirte, d. h. eine in ihrer Verwirrung Wunderbar durch-
sichtige, den Gesetzen des Verstandes, der Schwere der sinnlichen
Wirklichkeit entrückte Welt stellt sich in ihrem-eigenen Element, im
Element der träumerisch-märchenhaften, mit Stimmungen spielenden
Phantasie dara Trotzdem fehlt es dem Ganzen nicht an Wahr-
heit: denn Ofterdingen's Liebe ist seine. der Entwicklungsgang des
Gemüthslebens seines Helden sein eigener. Der Vorgang ist ins Mittel-
alter zurückgelegt, für welches auch er schwärmt. xZWiSChGII den
rohen Zeiten der Barbarei und dem kunstreichen, vielwissenden und
begüterten Weltalter hat sich eine tiefsinnige Zeit niedergelassen, die
unter schlichtem Kleide eine höhere Gestalt verbirgt. Wer Wandelt
nicht gerne im Zwielichte, wenn die Nacht am Lichte und das Licht
an der Nacht in höhere Schatten und Farben zerbrichtla Unvoll-
endet wie das Gedicht durch den frühen Tod Hardenbergs (1801)
blieb, und unvollendbar wie es durch die sich steigernde Märchen-
haftigkeit geworden, wird es immer zu den Hauptwerken der Romantik
ggzählt werden müssen. Auch in ihm wohnte ein starker Zug zur
i
h erausgegeben
3) Novalis Schriften, her
Berl. 1802.
3x) Haym a. a. O. S. 383.
Schlegel
von F.
und
Tieck.