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Buch.
CaP-
Anschauungen.
Veränderte
duftet auch von dieser Saat nur ein vereinigter Wohlgeruch. Er
erblickt in jeglichem Werke der Kunst, unter allen Zonen der Erde,
die Spur von dem himmlischen Funken, der, von ihm ausgegangen,
durch die Brust des Menschen hindurch in dessen kleine Schöpfungen
überging, aus denen er dem grossen Schöpfer Wieder entgegenglimmt.
. . Ihm ist der gothische Tempel so wohlgefällig als der Tempel
des Griechenxr
Wie es Tieck gelang, auf die Anschauungen des Freundes ein-
zugehen, zeigen sFranz Sternbald's Wanderungena , zu welchen der
Plan zwar gemeinschaftlich gefasst, aber in Folge von Wackenrodefs
frühzeitigem Ableben (1798) von dem überlebenden Freunde allein
ausgeführt ward. Freilich die Unmittelbarkeit und überzeugungsvolle
Wahrheit und Befriedigung wie seine Vorbilder athmet der Roman
nicht; auch erkennt man, wie Wilhelm Meister von nicht geringerem
Einflüsse auf den Dichter gewesen, als Wackenrodefs Begeisterung.
Ferner ist auch der hypochondrische Zweifel wieder da, der es nicht
zum Schwelgen in den Kunstvisionen, und durch die selbstquälerischen
Reflexionen nicht zu einem sicheren Ziele kommen lässt. Der Held
des Romans ist ein schwärmerischer Schüler Albrecht Dürer's, welcher
auf einer Kunstwanderung nach den Niederlanden und von da nach
Italien gelangt, um auf dem Wege durch eine Menge nicht blos von
harmlosen Abenteuern, die sein Gemüth bewegen, sondern auch von
Gelegenheiten seine Anschauungen mit fremden auszutauschen geführt
zu werden. Fromme Kunstverehrung ist auch hier die Grundlage,
minder rein als in jenen Werken, aber dafür bereichert durch schil-
lernde poetische Zugaben. Welcher Mysticismus herrscht in den
Gemäldeschilderungent), in welchen Farbenstimmung und Gedanken
entschieden präponderiren. Tritt nun Musik dazu, so geräth die
ganze Umgebung in theilhahmsvolles Leben. Da ist es dem Künstler,
der eine unaussprechliche Wonne in dem Gedanken, ein Christ zu
sein, empfindet und sich gesteht, wie die Andacht der höchste und
reinste Kunstgenuss sei, als wenn sich unter den Orgeltönen die
Farbengebilde seines Gemäldes bewegten und sprächen und mit-
sangen . . als wenn Baum und Gesträuch ausserhalb auch mit
Frömmigkeit beteten und unter der umarmenden Andacht ruhten,
L
Vgl. die "Verkündigung"
Geschichte." Berl. 1798. I. Band
in
S.
„Sternbald's Wanderungen,
1 19.
eine altdeutsche