Anschauung, bei dem ersteren begeisterte Empfindung vorherrscht,
bei diesem die Plastik, bei jenem Malerei und Musik im Vordergrunde
steht; dass dieser ein Parteigänger der Antike, jener mehr der mittel-
alterlichen Kunst zugewandt ist, dieser gründlich heidnisch, jener
schlicht christlich denkt und fühlt.
Wackenroder spricht es nemlich geradezu aus, dass aus dem
Zusammenflusse der Ströme von Kunst und Religion sich der schönste
Lebensstrom ergiesse. Er vergleicht auch den Genuss der edleren
Kunstwerke dem Gebet; es ist Kunstfrölnmigkeit, religiöses Entzücken,
geradezu Verzückung, was ihn beherrscht. Wie er vor dem Kunst-
werk niederknien könnte, um ihm zu huldigen, so drückt ihn gleich-
sam die Macht der Musik auf die Knie. Diese Eindrücke erpressen
ihm das Geständniss der Unvermeidlichkeit des Convertiten t). vDie
Kunst hat mich alhnächtig hinübergezogen, und ich darf wohl sagen,
dass ich nun erst die Kunst so recht verstehe und innerlich fasse. .
Kannst du ein hohes Bild recht verstehen und mit heiliger Andacht
es betrachten, ohne in diesem Moment die Darstellung zu glauben 1M
Verhängnissvolle Worte, Welche bald den Uebertritt mehrer Künstler
des romantischen Kreises befördern sollten!
In seinen Träumen steht Raphael und Dürer xHand in Handc.
Doch mit besonderer Vorliebe bewegt er sich in noch früheren Zeiten.
Die alten Italiener mit ihren Anekdotengeschichten und in ihrer
schlichten Erscheinungy die gothischen Dome und gemalten Fenster
entzünden seine Phantasie. Er Wünscht sich zurück in die vergangenen
Zeiten. wWie innig liebi ich die Bildungen jener Zeit, die eine so
derbe, kräftige und wahre Sprache führen. Wie ziehen sie mich
zurück in jenes graue Jahrhundert, da du, Nürnberg, die lebendig
wimmelnde Schule der vaterländischen Kunst warst und ein recht
fruchtbarer, überfliessender Kunstgeist in deinen Mauern lebte und
webtec Dann coordinirt er die mittelalterliche Kunst mit der
classischen, die erstere so berechtigt wie die letztere: vKunSt iSt die
Blume menschlicher Empfindung. In ewig wechselnder Gestalt erhebt
sie sich unter den mannigfaltigen Zonen der Erde zum Himmel empor,
und dem allgemeinen Vater, der den Erdball in seiner Hand hält,
Klosterbruder.
seinen Freund
Phantasien über die Kunst von einem kunstliebenden
Hamburg 1799. Brief eines jungen deutschen ßlalers in Rom an
in Nürnberg. S. 152 der 2. Ausgabe von 1814.