Zeit mit sich gebracht, und vielfach ebenso mit den Anschauungen
wie mit den Bedürfnissen der Neuzeit in Conflict zu kommen. Man
hatte sich durch die Antike aus der Unnatur der vorausgegangenen
Zeit gerettet und befreit, durch dieselbe den Weg zur Natur gefunden,
sie selbst aber nicht erreichen können. Vergeblich harrte Pygmalion
auf das Lebigwerden der angebeteten Bildsäule, der prometheische
Funke fehlte und es blieb nichts übrig als Hülle und Form, welchem
das Jahrhundert Inhalt und Seele, Wahrheit und Leben neeh nicht
verliehen hatte. Denn wer hätte vermocht das Zeitalter eines Perikles,
eines Brutus oder Cäsar an den Anfang des 19_ Jahrhunderts zu
verpflanzen, und das, was unter dem Schutt von zwei Jahrtausenden
gelegen, wieder zu wirklichem Leben zu erwecken! Hatte sich doch
im Verlaufe von anderthalb Jahrtausenden der Boden so ganz ver-
ändert, dass selbst der nemliche Samen andere Früchte bringen
"musste, dass er anderer Pflege und anderer Nahrung bedurfte, um
überhaupt gedeihen zu können, wenn das Gewächs nicht Treibhaus-
pflanze bleiben sollte, welche der Allgemeinheit fremd bleiben musste.
Hatten doch ferner selbst in der Kunst und namentlich in der monu-
mentalen, in welcher die antiken Elemente noch den meisten Spiel-
raum fmden konnten, die Gegenstände sich so ganz verwandelt,
indem an die Stelle der stoffgebenden Mythologie das Christenthum
getreten war, und die Anschauungen verinnerlicht, ja selbst lange
Zeit der Formfreude entfremdet hatten. Seit dem Beginn der Renais-
sance zwar schien man sich mehr und mehr von dem Christenthum
wieder entfernen zu wollen und die Revolution glaubte sich desselben
sogar gänzlich entledigt zu haben. Allein die christlichen Anschauungen
lagen doch dem allgemeinen Bewusstsein stets näher als die classi-
sehen, und es konnte nicht fehlen, dass gerade mit dem Ausleben
der Revolution die ersteren wieder in den Vordergrund traten. Wie
man sich von der Unnatur des 18. Jahrhunderts zur Antike geflüchtet,
so suchte man jetzt, da zur unmittelbaren Einkehr in die Natur die
Kräfte noch nicht zureichten, die Rettung vor der unbefriedigenden
Leere des classicistischen Formalismus im Mittelalter,
Das Gesetz des aufklärenden Verstandes hatte ebenso wie die
vor-revolutionäre Epoche der Galantcrie eine Seite der Menschlichkeit
ganz ohne Nahrung gelassen, nemlich das Gemüth. Es musste sich
Wieder geltend machen, und zwar mit Macht, sobald man über das
weit zurüekgreifende Stadium des noch unklaren Sehnens und Strebens