Weder Lust noch Musse hatte, wenn sie nicht mit den Tageserejg-
nissen selbst enge zusammenhing. Dann wurde das Arrangement
zu Festdecorationen und Aufzügen ihm übertragen, bei welchen die
antike Auffassung nicht blos nach der Neigung des Künstlers, son-
dern nicht minder nach jener der politischen Leiter und des Publi-
kums war. Denn da die römische Bürgertugend der Brutuszeit als
das allgemeine Ideal galt, konnte es nicht fehlen, dass das Römer-
thum allerwiirts, im öffentlichen Leben, auf der Bühne und in der
Privatgesellschatt auch äusserlich zur Nachahmung kam. Kalte
Allegorien machten sich daher überall breit, in dem theatralischen
Fest der Vernunft wie bei der Wiedereinsetzung; des höchsten Wesens,
bei welchen aus der Asche der verbrannten Puppen der Zwietracht,
des Atheismus und der Selbstsucht die Weisheit hervorstieg, noch
mehr selbstverständlich in einigen glücklicherweise nicht zur Ausfüh-
rung gelangten Denkmälerprojekten, unter Welchen David eine Colossal-
gestalt componirte und empfahl, die auf einem Berge von zertrüm-
merten Königstatuen sich erheben und an verschiedenen Körper-
stellen die eingegrabenen Worte: xLicht, Natur, Wahrheit, Kraft und
Huthe zeigen sollte.
Nur das, was man in jakobinischen Kreisen Martyrium der
Freiheit und der Revolution nennen mochte, riss ihn momentan aus
seiner sonstigen künstlerischen Apathie, und da. waren es Leichen-
bilder, die er schuf. Der wegen seiner Stimmabgabe für den Tod
des Königs von einem fanatischen Royalisten gemeuchelte Lepelletier
de Saint Fargeau und das durch Charlotte Corday in den weitesten
Kreisen bekannte Scheusal Marat schienen ihm passende Objekte
darzubieten, um in der Weise des Antonius bei der cäsarischen
Leichenrede dem Publikum zu demonstriren: sund so lohnte ihm
das Volk seine Wohlthatena. Konnte er sich in dem ersteren Bilde
der allegorischen Zuthaten nicht entbrechen, so trat er in dem letztern
insoferne aus sich heraus, als er einmal ohne Reflexion und Ueber-
tragung in römische Antike der Realität ganz nahe rückte. Es war
auch kaum möglich, dass der ideale Flitter Stand hielt, während der
Blutsumpf um die Guillotine immer grössere Dimensionen annahm
und der Kampf un1 Principien in zunehmender Verwilderung in ein
Hasardspiel um Köpfe ausartete.
Die Besinnung kehrte erst wieder als mit dem Sturz der
Schreckensherrschaft, in welchem auch des Künstlers Leben in un-
Reber, Kunstgeschichte. 12