in ihre Vorstellungsart hinein versetzen, so in ihren Styl sich hinein-
bilden, dass er ihm zur anderen Natur werde, dass er sich seine
Erfindungen nicht anders denken können
Carstens ging freilich nicht ohne die Uebertreibung, wie sie Genies
bei Durchführung bahnbrechendcr Principien eigen zu sein pflegt,
von dem wohl nicht anfechtbaren ästhetischen Grundsatze aus, dass
bei künstlerischen Schöpfungen ein Vorbild, sei es nun einem schon
bestehenden Kunstwerke oder der Natur entnommen, erst seinen
Weg durch Geist und Phantasie des Künstlers machen müsse, bevor
es in die Erscheinung trete. Deswegen wollte er nicht und selbst
nicht zur blossen Uebung unmittelbar nach dem Vorbilde zeichnen,
sondern erst, wenn dasselbe in seinem Geiste verarbeitet wäre, nach
dem Gedächtniss. Copiren war ihm sogar geradezu unmöglich, und
ausser zwei Versuchen, die er noch als Küferlehrling in Farbe ge-
macht, hat er nach seiner eigenen Aussage nie mehr ein Gemälde
copirt. Auch dem lebenden Modelle stellte er sich in ähnlicher Weise
gegenüber, indem er, wie an den Antiken, so auch an diesem alle
Stellungen und Bewegungen lediglich schauend studirte und Gedächt-
niss wie Einbildungskraft dahin übte, sich diese nach dem jeweiligen
Bedürfnisse wieder zu vergegenwärtigen, so dass er bald es dahin
brachte, die verschiedensten Stellungen und Actionen ziemlich richtig
aus der Vorstellung aufzuzeichnen. Ohne Modelle und andere Ap-
parate also schritt er an seine Compositionen, welche daher im
Grossen wie im Kleinen als Erfmdungen seines Genius zu betrach-
ten sind.
Dass Garstens bei solchen Principien sichesofort zur Gomposition
wandte, sobald er nur einiges gelernt, ist weder zu verwundern, noch
zu tadeln; denn nur an diesen konnte er frei üben; doch mussten
die ersten Arbeiten der Art selbstverständlich noch sehr unvoll-,
kommen sein, da es ihm, wie er selbst sagt, noch gänzlich an der
Kenntniss von den Regeln der Perspektive, der Anordnung, der Be-
leuchtung und Drapirung fehlte. Doch schreckte ihn die Schwierig-
keit nicht zurück, wenn ihm auch seine einsame und mühselige Ar-
beit serschrecklich saucrk ward. Eine Gompositien wAdälll und EVElc
nach der Milton'schen Dichtung gefiel Sogar dem Grafen Moltke, der
den strebsamen jungen Mann in seiner Gallerie zufällig kennen lernte,
so sehr, dass er deren Ausführung in Oel bestellte. Auch die Zurück-
Weisung dieses Oclbildes durch den Grafen, dem die technische Un-