reichend, um manches Talent technisch xfertig zu machene, noch
ehe Carstens zum Anfange kam, und in der That vermochte auch
Carstens das in technischer Hinsicht Versäumte nie mehr nachzu-
holen; allein wer es erfahren hat, wie bitter es sich rächt, wenn
eine noch zu jugendliche Kraft, selbst im Falle sie stark genug, um
sich nicht in falsche Richtungen lenken zu lassen, sich verfrüht auf
eigene Wege und an Grosses wagt, der wird diese verlernen Jahre
weniger beklagen. Jedenfalls hat Carstens das, Was er durßh djeseg
Versäumniss technisch verlor, durch seine zum Theil nothgedrungene,
grösstentheils aber bewusste und erstrebte Selbständigkeit und von
mechanischer Anlernung rein gebliebene Unbefangenheit hundertfach
wieder gewonnen.
Fünf Jahre schmachtete der Genius in den Kellern zu Eckern-
förde, stets seine Hand in den Feierstunden und selbst Nachts in
Zeichnungen, Bildnissen, ja selbst im Malen übend, als ein Freundes-
Wort den Entschluss reifte, seine Fesseln abzustreifen und sich von
seinen contraktlichen Verbindlichkeiten förmlich loszukaufen. Im
Herbst 1'776 finden wir den jungen Mann in Kopenhagen, dessen
Akademie sich damals eines nicht unbedeutenden Rufes und ge-
schickter Professoren wie des Malers Nie. Abilgaard und des Bild-
hauers G. Fried. Stanley zu erfreuen hatte. Allein das akademische
Treiben entsprach ihm nicht: weder das stückweise Zeichnen einzel-
ner Glieder nach Vorlagen, Gypsen und nach der Natur, sdiese zer-
stückelte Art zu studirenc, noch das Zeichnen nach lebendem Modell
im Ganzen, welches mit seinen Schönheitsbegriüen nicht vereinbar
schien, und so entschloss er sich, vorerst gar nicht in die Akademie
einzutreten, und lediglich die Vorträge über Anatomie und zwar
wiederholt zu besuchen. Auch die k. Gemäldegalleric entzündete ihn,
obwohl ihm die trefflichen Werke bewunderungswürdig erschienen,
nicht mehr in der Weise, wie einst Jürgen Ovens' Bilder im Dom
zu Schleswig und standen, zumeist aus Gemälden der niederländischen
Schulen bestehend, seinem Genius fremd, ja wunbegreifliche gegen-
über. Dagegen erschloss sich Herz und Phantasie ganz, als er den
Antikensaal der Akademie betrat, und wenn auch die Werke der
Griechen seine Vorstellung und Erwartung weit übertrafen und ihm
geradezu sals höhere von einer übermenschlichen Kunst gebildete
YVesenc erschienen, so erkannte er doch sogleich, dass diese seinem
bisher dunkelen Ideale entsprachen und hier der Born sei, aus wel-