Die Leichenbestattung.
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mungen über die Wahl der einen oder anderen Bestattungsart nicht
existirten. Jeder Ort hatte eine eingefriedigte Brandstätte (ustrinum)
(vergl. S. 450 f), oder es befand sich, wo der Raum es zuliefs und es
polizeilich gestattet war, neben den gröfseren Erbbegräbnissen ein für
den Privatgebrauch einer Familie bestimmtes Ustrinum. Auf diesem wurde
der Scheiterhaufen (pyra, rogus) errichtet, dessen Höhe und Aus-
sehmiickung sich natürlich nach dem Stande und den Vermögensver-
hältnissen des Verstorbenen richtete. Aus Holzscbeiten und anderen leicht
brennbaren Stoffen wurde derselbe in Gestalt eines Altars aufgeführt,
die Bahre mit dem Leichnam auf ihn gestellt und mit wohlriechenden
Salben, Weihrauch, Geräthen, Schmuck oder Waffen bedeckt, und der
Holzstofs sodann von einem der nächsten Verwandten oder Freunde mit
abgewandtem Gesichte angezündet, während die Umstehenden und die
Klageweibcr von neuem eine Conclamatio erhoben.
War der Scheiterhaufen niedergebrannt (bustum), wurde die glü-
hende Asche mit Wein gelöscht, und unter Anrufung der Manen des
Verstorbenen sammelten die Anvcrwandten, nachdem sie die übliche
Waschung der Hände vollzogen hatten, die Gebeine in dem Schurz ihrer
Trauergewänder (Ossilegizom). Mit Wein und Milch wurden sodann die
Ueberreste besprengt, man trocknete sie mit Linnentüchern und verschlofs
sie, mit wohlriechenden Stoffen vermischt, in eine Graburne (ossa con-
dere), welche später in die Grabkammer übertragen wurde (componere).
Der letzte Scheidegrufs wurde hierauf von den 'Anwesenden dem Todten
mit den Worten: vlzalve anima candidas, oder: vterra tibi levis sitzt,
oder: wmolliter cubent ossas nachgesandt, und nach Vollziehung der
üblichen Lustrationen trennte sich die Versammlung der Leidtragenden.
Zweifelhaft ist es freilich, wo die Urne während der Zeit bis zur Vollen-
dung des Grabmals aufbewahrt wurde, sobald nicht bereits ein Familien-
begräbnifs vorhanden war, und 0b bei der Beisetzung der Urne noch eine
besondere Feierlichkeit stattgefunden habe. Solche Urnen (urna, olla os-
suaria), meistentheils in Gestalt von Hydrien oder, wie meistentheils in
etruskischen Gräbern, in Form von Aschenkisten und mit einem Deckel
verschlossen, finden sich häufig in den auf S. 101 ff. beschriebenen Grab-
kammern, in den Columbarien (Fig. 398 ff.) und in Sarkophagen, ge-
wöhnlich von gebranntem Thon, Travertin, Marmor, Alabaster, Porphyr,
Bronze, seltener freilich von Glas oder aus edlen Metallen berge-
stellt, vor.
Wie bei den Griechen am neunten Tage nach der Beisetzung das
zweite Todtenopfer stattfand, begingen auch die Römer an diesem Tage
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