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Die Leichenbestattung.
junge Adel sich wohl mit einer geringen Zahl von Ahnenbildern be-
gnügen mufste, eitle Emporkömmlinge aber selbstgeschalfene Ahnenbilder
bei ihrem Leichenbegängnifs paradiren liefsen. Das hierauf folgende Pa-
radebett wurde von den nächsten Verwandten des Verstorbenen oder auch
von den testamentarisch freigelassenen Sklaven getragen. Seine übrigen
Verwandten, seine Freuhde und Freigelassenen umgaben die Bahre oder
folgten ihr in dunklen Trauergewändern, ohne jeglichen Goldschmuck.
Erst zur Kaiserzeit, als buntfarbige Stoffe die früher allgemein übliche
weifse Tracht verdrängt hatten, galten wenigstens bei den Frauen weifse
Gewänder als Zeichen der Trauer. Vom Trauerhause bewegte sich der
Zug nach dem Forum. Hier wurde die Bahre vor den Rostra nieder-
gesetzt, und nachdem die Träger der Wachsmasken auf den curulischen
Stühlen Platz genommen hatten, bestieg gewöhnlich ein Verwandter des
Verstorbenen die Rednerbühne und hielt die Leichenrede (lauclat-iofeane-
bris), in welcher er nicht nur die Verdienste des Verstorbenen, sondern
auch die seiner Ahnen, deren Bildnisse gegenwärtig waren, berührte.
Jener die griechischen Leichenpredigten der älteren Zeit charakterisirende
Ausspruch Cicero's (vgl. S. 339): nnam. vnentiri nqfas habebaturß mag
bei den Römern nicht so genau beobachtet worden sein, indem hier der
Redner sich wohl aller tadelnden Bemerkungen enthielt. War die Rede
beendet, so wurde die Bahre von den Trägern wieder aufgenommen, und
der Zug setzte sich in der oben angegebenen Ordnung nach der Be-
gräbnifsstätte in Bewegung.
Der Leichnam wurde entweder nach der älteren Sitte in einem Sar-
kophagl (arca, capulus) in einer ausgemauerten oder mit Steinen aus-
gelegten Grabkammer beigesetzt, ein Gebrauch, welcher auch von einzelnen
Patrizierfamilien, wie z. B. von den Corneliern, in späterer Zeit beibe-
halten wurde, oder verbrannt. In letzterem Falle wurde die Asche in
Urnen gesammelt und diese in den Grabkammern (vgl. S 77) beigesetzt.
Sulla soll aus Furcht, dal's sein Leichnam vom Volke beschimpft werden
könnte, die Sitte des Verbrennens (cretmatio) zuerst eingeführt haben.
Keinesweges jedoch hörte seitdem die Beisetzung in Särgen auf, indem
beide Arten der Bestattung, welche mit dem Ausdruck Immat-io be-
zeichnet wurde, neben einander fortbestanden und gesetzliche Bestim-
1 Nach einer Stelle im Plinius (hist. nat. II, 98, vgl. XXXVI, 27) fand sich in der
Nähe von Assos in der Landschaft Troas ein Stein vor, welcher die Eigenschaft besafs,
dal's die in Särge aus diesem Gestein gelegten Leichname in 40 Tagen mit Ausnahme der
Zähne vollständig aufgezehrt wurden und der daher den Namen "Fleischfresser- (aarco-
pkagos) führte.